Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
wieder das Problem, für das sie immer noch keine Lösung gefunden hatte. Seit dem Vorabend lagen auf dem Tisch in ihrem Zelt nebeneinander ihr grünes Kleid und ihre Rüstung. Dieses Kleid hatte sie zwar für ganz besondere Anlässe gekauft, war sich aber im Klaren darüber, dass es im Grunde gar nicht zu ihr passte. Dann also die Rüstung? Aber auch das kam ihr ganz unangemessen vor. Wollte sie den Freund wie zu einer Schlacht gerüstet nach der langen Trennung wieder in die Arme nehmen? So stand sie da und überlegte hin und her, als sie Idos Stimme vor dem Zelt vernahm. »Kann ich reinkommen?«
Nihal packte das Kleid, warf es auf das Bett und setzte sich hastig darauf. »Ja ... komm nur ...« Ido steckte den Kopf zum Zelteingang herein und sah sie fragend an. »Was ist los mir dir?« »Nichts, alles in Ordnung«, antwortete sie so gleichgültig wie möglich.
Ido sah ein Stück bunten Stoff unter ihrem Bein hervorlugen. »Warum sitzt du denn auf deinem Kleid?«
Nihal errötete. »Ach ... ich weiß einfach nicht, was ich anziehen soll«, gestand sie schließlich. Ido warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Das heißt: Du weißt nicht, ob du ihn wie ein Krieger oder wie eine Frau empfangen sollst?«
»Ja, so ungefähr ...« Nihal errötete immer mehr.
Ido lächelte und steckte sich die Pfeife in den Mund. »Tut mir leid, aber für diese Frage fühle ich mich als dein Lehrer nicht zuständig. Also ... dann überlass ich dich wieder deinem Dilemma.« Als der Gnom gegangen war, wägte Nihal noch eine Weile die beiden Möglichkeiten gegeneinander ab und griff dann, ihrer eigenen Unentschlossenheit überdrüssig, zu ihrer Rüstung. Bevor sie aufbrechen konnte, musste sie sich Urlaub geben lassen. Der Kommandant zeigte sich recht verständnisvoll und stellte sie ohne langes Theater frei. Aber den Grund wollte er doch erfahren.
»Die Rückkehr eines Freundes«, antwortete sie ausweichend.
Als sie die Kommandantur verließ, geriet sie fast in Versuchung, noch einmal in ihr Zelt zurückzukehren, um sich wieder umzuziehen, schüttelte dann aber den Kopf über sich selbst. Jetzt reicht's aber, Nihal. Stell dich nicht so kindisch an, und sieh endlich zu, dass du wegkommst!
Hoch oben in der Luft spürte sie dann, wie die Spannung von ihr abfiel. Auf Oarfs Rücken fühlte sie sich immer im Gleichgewicht, und die Vorfreude auf das Wiedersehen mit Sennar vertrieb alle Unsicherheiten und Zweifel.
Als die Grenze in Sicht kam, beschloss sie, irgendwo in der weiten Steppenlandschaft niederzugehen. Das Gras war grau, und an vielen Stellen war die Erde aufgewühlt. Das war nicht mehr die Steppe, die sie in ihrer Kindheit gekannt hatte, so trostlos sah sie aus. Nihal streckte sich im Steppengras aus und blickte zum Himmel hinauf. Es war bewölkt, und die Luft war kühl. Der Herbst kündigte sich an.
Oarf machte es sich neben ihr bequem, und sie legte den Kopf auf seine schuppige Schulter. Sie wusste nicht, aus welcher Richtung Sennar auftauchen würde, und auch nicht, wie und wann. Das letzte Bild, das sie von ihm hatte, kam ihr wieder in den Sinn: sein trauriger Blick, das Blut, das langsam aus der Schnittwunde an seiner Wange rann ... Mit welchen Worten würde sie sich dafür entschuldigen können?
Nihal setzte sich auf und suchte den Horizont ab: nichts, nur Steppe. Also lehnte sie sich wieder zurück und verfolgte den Zug der Wolken am Himmel. Das Wetter würde bald umschlagen, ein heftiger Wind war aufgekommen. Ob Sennar die Person gefallen würde, die sie geworden war? Vielleicht hatte auch er sich verändert, hatte auf seinem Weg neue Bekanntschaften gemacht, neue Freunde gewonnen, andere Frauen kennengelernt ... Was sind das bloß für Gedanken! Was interessieren mich andere Frauen?
Erneut setzte sie sich auf. Die Sonne war nun ganz hinter den Wolken verschwunden. Wind, Wind, nichts als Wind. Die Halme neigten sich mal zur einen, mal zur anderen Seite, bildeten Wellen auf diesem Meer aus verdorrtem Gras.
Für einen Moment riss der Himmel auf, und ein Sonnenstrahl brachte ihre Rüstung zum Funkeln. Und plötzlich kam es ihr lächerlich vor, dass sie sich so wie zu einer Parade herausgeputzt hatte. Früher hätte ich es nicht nötig gehabt, mich so auszustaffieren, da wäre ich einfach zu ihm gelaufen, mit dem, was ich am Leibe trug. Sicher, so wie früher kann es nicht mehr sein. Aber verlieren will ich ihn auch nicht.
Als zwei Stunden vergangen waren, begann sie zu fürchten, dass Sennar gar nicht kommen würde. Die
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