Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
häufig vor, dass sie mit dem obersten Befehlshaber des Lagers persönlich zu tun hatte, obwohl dieser seinen Untergebenen nicht gerade übertrieben viel Ehrfurcht einflößte. Klein und untersetzt, wie er war, mochte man ihn eher für einen gutmütigen Wirt als für den Kommandanten eines der größten Heerlager in den freien Ländern halten. Und er war auch kein Mann, der es mit Diensträngen und Disziplin übertrieben genau nahm, wusste sich aber doch Gehör und Gehorsam zu verschaffen und wurde von seinen Leuten bewundert und geachtet.
Ein wenig schüchtern betrat Nihal Nelgars Zelt, während sich Ido sogleich wie selbstverständlich den erstbesten Stuhl suchte, um sich ungeniert darauf herumzulümmeln.
»Nimm doch auch Platz«, forderte Nelgar sie in freundlichem Ton auf. »Ich habe dich zu mir bestellt, weil ich dir einen Auftrag anvertrauen möchte.«
Nihals Herz begann, schneller zu schlagen. Noch nie hatte man ihr eine wichtige Aufgabe in eigener Verantwortung übertragen. Bis zu diesem Tag hatte sie immer nur unter Idos Kommando agiert.
»Es handelt sich darum, eine Botschaft in ein Lager im Land des Meeres, also jenseits der Grenze, zu bringen. Wir brauchen Verstärkung für einen Angriff. Du wirst unsere Anfrage überbringen und mit ihrer Antwort heimkehren.«
Das ist alles? Nihal war enttäuscht.
Nelgar erklärte ihr die Einzelheiten und übergab ihr eine Karte, die ihr den Weg durch den Wald zeigen sollte. »Mach dich morgen zu früher Stunde auf den Weg. Das ist alles. Viel Glück.«
Nihal verabschiedete sich mit einer Verbeugung. Und Ido folgte ihr hinaus.
»Was soll denn das? Bin ich etwa degradiert worden? Vom angehenden Drachenritter zum einfachen Offiziersdiener?«, wandte sie sich schmollend an ihren Lehrmeister. »Für solche Dienste haben wir doch genug Knappen im Lager.«
»Ich hab dich für den Auftrag vorgeschlagen«, antwortete Ido gleichmütig.
»Na, vielen Dank. Ich hab mir ja nichts sehnlicher gewünscht, als mir im Wald ein wenig die Beine zu vertreten.«
»Nimm die Sache lieber nicht auf die leichte Schulter. So langsam musst du dich daran gewöhnen, auf dich allein gestellt zu handeln. Deine Ausbildung macht große Fortschritte. Vielleicht schaffst du es noch in diesem Jahr, zum Drachenritter ernannt zu werden.« Nihal wandte ihm ruckartig das Gesicht zu. Ihre Augen strahlten.
Ido blieb sachlich. »Bis heute hast du mehr oder weniger an mir geklebt wie ein Küken an der Glucke, aber ab morgen wirst du dich nur auf deine eigenen Kräfte verlassen können. Die Aufgabe an sich ist nicht sonderlich schwierig, doch dein Weg führt dich an Grenzen entlang, die alles andere als sicher sind. Das ist eine gute Übung.«
Nihal hatte bislang immer auf dem Schlachtfeld gekämpft und mit Aktionen hinter der Front nichts zu tun gehabt. Schlimmstenfalls, so sagte sie sich, würde sie eben neue Erfahrungen machen.
»Und außerdem bist du jetzt schon monatelang nicht mehr aus dem Land der Sonne rausgekommen. Ein wenig frische Seeluft wird dir da ganz guttun«, schloss der Gnom. »Seeluft? Aber das Lager liegt doch im Landesinnern?«
»Du wirst schon sehen ...« Ido lächelte. »Du wirst schon sehen.«
Im ersten Licht des Tages machte sich Nihal fertig zum Aufbruch. Oarf würde sie nicht begleiten. Die Mission verlangte ein gewisses Maß an Geheimhaltung, und ein Drache würde gewiss nicht unbemerkt bleiben. So schwang sie sich auf ein Pferd und machte sich ohne große Begeisterung auf den Weg.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, vor der Zerstörung Salazars, in der sie gerne gereist war. Sie erinnerte sich noch, mit welcher Erregung sie als kleines Mädchen Livon zu seinen Lieferanten begleitet hatte. Und wie sehr ihr der Ausflug ins Land des Wassers gefallen hatte, in Begleitung Soanas und Sennars, zur Aufnahmeprüfung des Freundes in den Kreis der Magier. Zum ersten Mal ließ sie damals das Land des Windes hinter sich und hatte eine Reise voller Wunder erlebt. Doch jetzt kam es ihr so vor, als sei das alles schon Jahrhunderte her.
Wäre doch wenigstens Sennar bei ihr gewesen! Sie hatte es geliebt, nach einem Tagesritt mit ihm das Nachtlager aufzuschlagen, am Feuer zusammenzusitzen, zum Sternenhimmel hinaufzublicken und sich über Gott und die Welt zu unterhalten. Wo mag er jetzt bloß sein? Vielleicht wäre auch Ido ein angenehmer Reisegefährte gewesen. So aber fühlte sie sich schutzlos den Geistern ihrer Vergangenheit ausgeliefert. Und in denkbar schlechter Stimmung ließ sie das
Weitere Kostenlose Bücher