Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Hauptlager immer weiter hinter sich.
Zwischen dem Land der Sonne und dem des Meeres lag ein großer Wald, das ausgedehnteste Waldgebiet der ganzen Aufgetauchten Welt: der Innere Wald. Und so blieb das Landschaftsbild, als Nihal nach zwei Tagesritten die Grenze überquerte, völlig unverändert. Immer noch umgab sie dichter, verschlungener Wald, doch allmählich stieg ihr schon salziger Meeresgeruch in die Nase.
Das Meer hatte Nihal noch nie gesehen, und dieser Geruch weckte in ihr die Lust, bis zur Küste weiterzureiten. Sennars Erzählungen über sein Heimatland kamen ihr wieder in den Sinn. Von der großen Meeresbucht, Kleines Meer genannt, nicht weit von der Grenze zum Land des Wassers. Vom Dessa-Leuchtturm, dem letzten Vorposten der Aufgetauchten Welt. Von der Weite des Ozeans. Ob Sennar jetzt dort unterwegs ist? Oder gar schon, noch viel weiter entfernt, in der Untergetauchten Welt? Die Sehnsucht versetzte ihr einen Stich.
Während sie unterwegs war, hatte Nihal stets ein ungutes Gefühl, besonders nachts, denn die Grenze zum Großen Land war nahe, und in den Wäldern wimmelte es von Spähern. Dabei handelte es sich aber selten um Fammin, denn diese blutrünstigen Geschöpfe waren für solche Aufgaben, die einiges Geschick verlangten, wenig geeignet. Deren Stärke war es, Tod und Verderben zu bringen. Dazu besaßen sie lange Gliedmaßen, mit denen sich das Opfer leicht packen ließ, mit scharfen Krallen versehene Hände und Füßen, um es in Stücke zu reißen, und finstere Visagen mit einem Maul voller scharfer Reißzähne, um es zu zerfleischen. Stämmig gebaut und am ganzen Leib mit einem widerlichen rötlich gelockten Fell bedeckt, waren sie zu nichts anderem zu gebrauchen, als Angst und Schrecken zu verbreiten.
Um die Grenzen des Großen Landes zu kontrollieren, eventuelle Angriffsstrategien vonseiten der Heere der freien Länder zu erkunden und jeden sofort zu töten, der sich auf seine Gebiete wagte, schickte der Tyrann daher lieber Menschen oder Gnome aus. Zwar bekam Nihal keinen Späher zu Gesicht, doch immer wieder hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Doch egal wie, sie überstand die Reise ohne Zwischenfälle, und nach vier Tagen erreichte sie ihr Ziel. Die Wachen staunten nicht schlecht, als sie eine Frau mit blauen Haaren, spitzen Ohren und wie ein Soldat gekleidet auf das Lager zureiten sahen.
»Ich bin ein Drachenritter in Ausbildung und habe eine Botschaft für den Lagerkommandanten zu überbringen«, stellte Nihal sich vor.
Der Ort erinnerte an das Feldlager, in dem sie selbst stationiert war: eine weitläufige, befestigte Zitadelle, in der nicht nur Soldaten, sondern auch Frauen und Kinder lebten. Hier allerdings schien die Situation weniger schwierig als im Land der Sonne. Das Land des Meeres besaß sichere Grenzen und war lediglich im Süden, wo das Große Land begann, möglichen Angriffen ausgesetzt. Die düsteren Umrisse der Tyrannenfeste erhoben sich feindselig über den Baumreihen, so mächtig, wie Nihal sie noch nie gesehen hatte.
Ungeachtet dieser allgegenwärtigen Bedrohung herrschte im Lager eine gelassene Atmosphäre, und auch an Vorräten bestand kein Mangel. So war das Essen großzügig bemessen und schmackhaft. Nihal aß mit den anderen im Gemeinschaftsspeisesaal, wo die Kinder übermütig herumtollten und die Männer einträchtig mit ihren Frauen zusammensaßen. Man kam sich fast wie im Frieden vor. Nihal lächelte vor sich hin, während sie ein Stück Fleisch zerteilte. Als sie den Blick vom Teller hob, erstarrte die Hand, mit der sie den Bissen zum Munde führte. Parsel war ihr erster Fechtlehrer in der Akademie gewesen und in gewisser Hinsicht auch monatelang ihr einziger Freund. Es war eine ungewöhnliche Beziehung, die mit wenigen Worten auskam und ganz von ihrenlangen Zweikämpfen geprägt war.
Nihal freute sich, ihn wiederzusehen, und er umarmte sie so herzlich wie einen alten Kameraden. Parsel war ein groß gewachsener, stämmiger Mann von dunkler Gesichtsfarbe, dessen Augen eine eigenartige graugrüne Tönung aufwiesen. Seine schwarzen, auffallend kurz geschnittenen Haare begannen an den Schläfen grau zu werden.
»Was machst du denn hier?«, fragte Nihal, als sie sich von ihm gelöst hatte.
»Ich hab Urlaub. Früher, als ich noch selbst im Gefecht stand und bevor ich Lehrer an der Akademie wurde, war ich hier stationiert. Und immer wenn sich eine Gelegenheit ergibt, komme ich gerne wieder hierher zurück.« Parsel zwinkerte ihr zu. »Einfach nur, um
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