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Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers

Titel: Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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gekocht?«
    »Ja. In meiner Familie haben fast alle mit der Versorgung von Gefangenen zu tun. Wegen unserer Haare, verstehst du?« Sie zeigte auf eine ihrer dunklen Strähnen.
    »Nein. Wie meinst du das?«, fragte Sennar interessiert.
    »Nun, meine Vorfahren gehörten zu den Letzten, die sich in dieser Welt niederließen. Deswegen sind unsere Haare noch nicht ganz weiß.«
    »Und wann war das?«
    »Vor rund fünfzig Jahren. Meine Eltern sind hier geboren, doch meine Großeltern kamen noch von oben, und deswegen - wie soll ich sagen? - sind wir eben nicht so angesehen. Gefangenenbetreuung ist eine der wenigen Arbeiten, denen wir nachgehen dürfen.« »So ein Kerker ist aber nicht der passende Ort für ein junges Mädchen.«
    Sie errötete. »Gewöhnlich bringt auch mein Bruder das Essen, und ich koche nur. Aber heute ... nun ja, ehrlich gesagt, war ich neugierig, dich zu sehen. In der Stadt spricht man von nichts anderem mehr. Die Leute sind sehr erregt. Aber ich habe keine Angst vor dir. Ich habe auch noch Verwandte, oben in der Aufgetauchten Welt.«
    Sennar griff zu der Schüssel mit den Muscheln. »Wo leben denn diese Verwandten?« »Im Land des Meeres.«
    »Da komme ich auch her. Warst du schon mal dort?«
    Das Mädchen brach in Gelächter aus. »Natürlich nicht. Wir dürfen diese Welt doch nicht verlassen. Nur Magiern ist es gestattet, in die Aufgetauchte Welt zu reisen.«
    Erst jetzt blickte Sennar von seinen leeren Schüsseln auf. Es war gewiss nicht das erste Mal, das er allein mit einem weiblichen Wesen war. Doch dieses so freundliche junge Mädchen hatte eine ganz besondere Wirkung auf ihn. Sie ist wirklich sehr hübsch.
    Das Mädchen schien sich beobachtet zu fühlen. Verlegen begann es, sich die Rockfalten glatt zu streichen.
    Sennar blickte auf das Tablett. Auch von dem Apfel war jetzt nur noch das Kerngehäuse übrig. »Danke! Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut mir das getan hat«, sagte er, während er es dem Mädchen zurückreichte.
    »Keine Ursache. Das ist ja meine Aufgabe. Ich bin heute Abend wieder da. Pünktlich, versprochen. Verhungern wirst du hier drin jedenfalls nicht«, sagte sie lachend. Sie hatte sich bereits ein Stück von der Gittertür entfernt, als der Magier ihr nachrief. »Warte! Wir haben uns ja noch nicht einmal vorgestellt: Ich heiße Sennar.«
    »Und ich Ondine. Bis später dann, Sennar«, antwortete sie und ließ ihn allein. Ondine kam morgens und abends in den Kerker.
    Für Sennar war sie wie ein Sonnenstrahl in der Finsternis. Sie war fürsorglich, lächelte unentwegt und lenkte ihn von der Einsamkeit ab, in der er zu versinken drohte.
    Im Laufe der Tage schlossen sie mehr und mehr Freundschaft. Sie erzählten sich von ihren Welten, von ihrem Leben. Ondine war beeindruckt von der Idee, einen Himmel über sich zu haben, und stellte es sich seltsam vor, in der Aufgetauchten Welt nicht von Blau umgeben zu sein. Und sie erzählte Sennar, wie sehr sie das Meer liebe und wie gerne sie eine Sirenide geworden wäre.
    »Eine Sirenide?«, fragte er verwundert nach.
    »Ja. Das sind Nachfahren der Sirenen.«
    »Ich dachte, Sirenen gäbe es überhaupt nicht.«
    Ondine lachte. »Natürlich gibt es die.« Und so erzählte sie Sennar nun, dass Zalenia nur mithilfe der Tritonen und Sirenen errichtet werden konnte, und dass einige Zeit nach der Gründung des Reiches Kinder zur Welt kamen, wie man sie noch nie zuvor gesehen hatte: Eine Kreuzung zwischen Sirenen und Menschen, ohne Schwanzflossen zwar, aber mit kleinen Kiemen ausgestattet, sodass sie unter Wasser leben konnten. »Das sind ganz besondere Geschöpfe. Für sie gibt es kein Oben und Unten, kein Drinnen und Draußen. Wie gerne wäre ich so frei wie sie!« Aus den Erzählungen des Mädchens wurde Sennar deutlich, wie tief hier der Hass auf alle Bewohner der Aufgetauchten Welt saß. »Die von oben«, wie man sie in Zalenia nannte, galten als Leute, die nur Krieg und Töten im Sinn hatten und nicht fähig waren, in Frieden mit sich selbst und anderen zu leben. Dieser Hass spiegelte sich auch im Umgang mit jenen Mitbürgern wider, die, wie Ondines Familie, erst in jüngerer Vergangenheit in die Untergetauchte Welt eingewandert waren. Das Merkmal dieser Ausgeschlossenen, dieser »Neuen«, waren die dunklen Strähnen in ihrem Haar. Sie wurden mit Argwohn betrachtetund durften nur die niedersten Arbeiten verrichten. Ondines Vater etwa zählte zu den Arbeitern, die die Belüftungsröhren der Amphoren sauber halten mussten, damit die

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