Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Mathon!«, rief sie. Der Zorn überwältigte sie, und mit einem Streich hieb sie dem Hünen den rechten Arm ab und ließ ihn verblutend zwischen den Büschen zurück. Als sie zu der Stelle zurückrannte, wo sie gelagert hatten, merkte sie, dass sie im Kampf ein wenig die Orientierung verloren hatte. Aus den Augenwinkeln nahm sie zwei Schatten wahr, die zwischen den Bäumen entlang huschten, und hörte im nächsten Moment rasch näher kommende Schritte hinter sich. Sie reckte das Schwert, ging ein wenig in die Knie und holte aus. Da durchfuhr plötzlich ein entsetzlicher Schmerz ihren Kopf.
Ein warmer Schwall rann ihr über den Rücken. Und um sie herum wurde es dunkel. Nihal schlug die Augen auf. Die Schmerzen im Kopf waren kaum auszuhalten. Selbst das leiseste Geräusch dröhnte durch ihren Schädel. Ihr Blick war verschleiert und keine Einzelheit des Ortes, an dem sie sich befand, klar zu erkennen. Es schien eine Höhle zu sein. Weiter entfernt hörte sie ein Feuer knistern. Sie streckte die Hände aus und ertastete einen Strohsack, auf dem sie unter einer dünnen Decke lag.
Da hörte sie ein Geräusch, ein metallenes Rasseln, und eine Gestalt mit unklaren Umrissen trat in ihr Blickfeld.
»Sie lebt«, rief eine Männerstimme. »Na, gut geschlafen?«
Nihal fasste sich wieder an den Kopf. »Bitte, sprich leiser.«
»Verzeih«, flüsterte der Mann, »aber ich verstehe ja, nach diesem Schlag ...«
Nihals Finger strichen über einen breiten Verband. Sie überlegte, was geschehen war, und gleich darauf kamen ihr die Vorgänge in Erinnerung. Ein Schlag auf den Kopf. Wie ein Grünschnabel hatte sie sich überraschen lassen. Zorn wallte in ihr auf. Verdammt! Sennar hatte recht, ich riskiere wirklich jeden Tag Kopf und Kragen. »Ich kann nichts sehen«, klagte sie. »Das ist ganz normal«, antwortete der fremde Mann, während er sich an dem Feuer zu schaffen machte. »Sei unbesorgt, das geht vorüber. Morgen wirst du schon nichts mehr davon merken.« »Wer bist du?«
»Ein alter Mann.«
Keine besonders erschöpfende Antwort, dachte Nihal. »Und einen Namen hast du nicht?« »Ich hatte einen – vor langer Zeit, aber den habe ich zurückgelassen. Ich brauchte ihn nicht mehr. Ich bin ein alter Mann, sonst nichts.«
Alt. Bei diesem Wort kam ihr Livon, ihr Vater, in den Sinn. So hatte sie ihn genannt: Alter. Niemals wieder würde sie jemand anders so ansprechen können.
»Und wie soll ich dich nennen?«
»Ich habe dir das Leben gerettet. Also nenn mich ruhig Mein Retter.« Der Alte lachte. Es war ein weises Lachen, das aus fernen Zeiten zu kommen schien. Mit einer Schüssel in Händen trat er auf sie zu. »Jetzt aber genug der Fragen. Es wird Zeit, wieder zu Kräften zu kommen.« Nihal zögerte einen Moment, nahm dann die Schüssel und begann zu essen.
Die Zeit, Fragen zustellen, kam später, gegen Abend, als Nihal sich schon etwas erholt hatte. Als sie erwachte, stellte sie fest, dass sie wieder besser sehen konnte, obwohl ihr Blick noch immer ein wenig getrübt war. Auch ihr Kopf schmerzte weiterhin, doch jetzt konnte sie sich bereits ohne Schwierigkeiten aufsetzen. Das Kopfkissen, auf dem sie gelegen hatte, war mit Blutflecken gesprenkelt.
Mit gekreuzten Beinen saß sie auf dem Strohlager und beobachtete ihren Retter. Noch immer konnte sie seine Gesichtszüge nicht klar erkennen, doch schien er ihr wirklich sehr alt zu sein. Er trug ein zerschlissenes, schmutziges Gewand, das ihm bis zu den Knöcheln reichte. Sein Schädel war fast vollkommen kahl, doch hatte er dafür einen langen weißen Bart, der fast den Fußboden berührte. Er ging barfuß, und als Nihal ihn genauer anblickte, begriff sie, was das für ein metallisches Geräusch war, das sie gehört hatte: Hände und Füße des Greises lagen in schweren Ketten, die sich wie Schlangen um seine Gliedmaßen wanden. »Warum liegst du in Ketten?«, fragte sie, ohne lange nachzudenken.
Der Alte wandte ihr das Gesicht zu. Er schien zu lächeln. »Um für meine zahlreichen Sünden zu büßen.« »So bist du ein Gefangener.«
Der Alte ließ ein gepresstes Lachen erklingen. »Nein, Nihal, nein. Ich selbst habe mir die Ketten angelegt, damit mich ihr Gewicht in jedem Augenblick daran erinnert, wie belastet meine Seele ist.«
»Woher kennst du meinen Namen?«, fragte sie überrascht.
»Alter und Einsamkeit haben mir viele Gaben verliehen. Geduld vor allem, aber auch gewisses Maß an seherischen Fähigkeiten. Wie hätte ich dich sonst finden sollen?«
Das Mädchen
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