Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
zirpte, als ein Dolch von hinter ihr knapp an ihrem Kopf vorbeiwirbelte. Das letzte Wort des Zauberspruchs löste sich gerade von Mykinas Lippen, da fuhr ihr die Klinge bis an das Heft in die Brust und schleuderte sie nach hinten. Blaue Flammen schossen aus ihren Fingerspitzen und brandeten gegen die Decke. Sie prallten dort ab und fuhren dann keine zwei Fuß neben Cay in die Wand.
»Die Kugel!«, rief Rolana. »Wir müssen die Kugel zerstören.«
Thunin wich einem weiteren Strahl aus, sprang nach vorn und schleuderte dann seine Axt. Die Schneide fuhr glatt durch das Bein des niedrigen Tisches. Es knickte weg, die Platte senkte sich, das Kissen geriet ins Rutschen. Mit einem harten Klacken fiel die Kugel zu Boden und rollte auf den Spiegel zu. Mykina versuchte sich aufzurichten und einen weiteren Zauber zu sprechen. Ibis schickte ihrenzweiten Dolch hinterher. Hellrot sprudelte das Blut aus Mykinas Brust und rann in breiten Strömen über ihr weißes Gewand. Mit letzter Kraft warf sie sich nach vorn und griff nach der Kristallkugel, doch Rolana war schneller. Sie hob die Kugel hoch. Die Blicke der beiden Frauen trafen sich. Panischer Schrecken, Schmerz und Verzweiflung glänzten in Mykinas Blick, sie begegnete jedoch nur fester Entschlossenheit. Mit aller Kraft schmetterte die junge Priesterin die Kugel auf den Boden, so dass sie mit einem Klirren in tausende Stücke zersprang.
»Nein«, wimmerte Mykina, dann wurde ihr Blick trüb.
Thunin hob seine Axt auf und ließ sie in die Spiegelfläche sausen, die in einem Regen von Glas zerbarst. Atemlos sahen sich die Gefährten an. Zuerst war das Grollen kaum hörbar, und auch das Zittern des Bodens und der Wände konnte nur die Elbe spüren, dann schwoll es an, Risse brachen in der Decke auf, Kalk rieselte auf sie hinab, Steine lösten sich und polterten herunter.
»Raus hier!«, brüllte Thunin. »Schnell zur Falltür!«
Sie rannten um ihr Leben. Hinter ihnen neigten sich die Säulen und fielen in sich zusammen, die Decke folgte mit Donnergetöse. Wie durch ein Wunder erreichten die Freunde unbeschadet die offene Falltür und glitten die eiserne Leiter hinunter. In wilder Hast rannten sie den Gang entlang, in den Köpfen nur den einen Gedanken nach Luft und Licht. Schon zogen sich feine Risse durch das Gestein über ihnen, und Wasser rann die Wände herab. Schwer atmend eilte Rolana hinter Cay her, der immer mehr Vorsprung gewann. Sie war erschöpft, ihre Füße schwer wie Blei, ihre Lungen brannten wie Feuer, doch sie rannte weiter. Darutschte ihr Fuß in eine Mulde, und ihr Knöchel knickte zur Seite. Die junge Frau taumelte und fiel hart gegen die Wand. Der Schmerz durchfuhr sie wie die Schneide eines Messers. Tränen schossen ihr in die Augen, und ein Stöhnen entrann ihren Lippen.
Ich muss weiter, hämmerte es in ihrem Kopf, der Gang stürzt gleich ein. Mit zusammengebissenen Zähnen humpelte sie weiter.
Cay lief den Gang entlang. Er glaubte Rolana dicht hinter sich zu wissen, doch plötzlich spürte er, dass sie verschwunden war. Keuchend blieb er stehen und wandte sich um, die Laterne in seiner Hand schwankte.
»Rolana«, schrie er. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine sich rasch weitende Spalte in der Wand. Er machte kehrt, rannte und brüllte ihren Namen. Da huschte der tanzende Lichtschein über ihre Gestalt. Sie humpelte auf ihn zu und streckte ihm ihre Arme entgegen, doch er sah auch die Wand, die sich über ihr neigte. Ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei.
Cay spürte das Ziehen in seinen Beinen und das Stechen in der Brust. Er trieb sich bis zum Äußersten und wusste gleichzeitig, dass er sie nicht rechtzeitig erreichen konnte. Die herabstürzenden Gesteinsmassen rissen die junge Frau nieder, und sie verschwand in einer Woge aus Trümmern und Schlamm.
»Nein!«, ächzte Cay. Tränen schossen ihm in die Augen, und er fiel auf die Knie. Wie ein Rasender riss er Steine und Felsbrocken von ihrem reglosen Körper und schleuderte sie zur Seite, bis er Rolana von der Last befreit hatte. Cay warf seinen Rucksack von sich, hob Rolana in seine Armeund hastete los. Die anderen waren schon weit voraus, aber er konnte den flackernden Lichtschein in der Ferne sehen. Der junge Kämpfer hetzte weiter. Das Poltern der Felsblöcke folgte ihm, doch er drehte sich nicht um. Dann hörte er noch ein anderes Geräusch. Es plätscherte und rauschte. Wasser!
O ihr Götter, dachte er verzweifelt, der Wassergraben bricht ein!
Die junge Frau in seinen Armen,
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