Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Brunnen, den sie in einer Ecke des Friedhofs entdeckt hatten, die Schläuche mit frischem Wasser zu füllen. Als er zurückkam, machte er sich daran, ein Feuer für die Nacht zu entfachen und genug Holz bereitzulegen.
Nachdem Thunin und Ibis das Bein geschient und Rolana in die übrig gebliebenen Decken gewickelt hatten, blieb ihnen nur noch, zu warten. Cay bettete Rolanas Kopf in seinen Schoß und betupfte ihr ab und zu die Stirn mit kühlem Brunnenwasser. Ibis stocherte im Feuer herum, und Vlaros schritt unruhig auf und ab. Der Zwerg ließ den Blick über die Kameraden wandern, dann erhob er sich und machte sich auf, nach den Pferden zu sehen. Er brauchte nicht lange, um sich zu orientieren, denn schon bald sah er die Zinnen des Bergfrieds von Theron über die Baumwipfel ragen, doch da war nur noch ein trauriger Rest des mächtigen Bauwerks, das er einst gewesen war. An einer Seite halb eingestürzt, ragte er in den Abendhimmel. Dichte Rauchwolken quollen auf.
Für einen Moment erwog Thunin, zur Burg hinunterzusteigen, dann schritt er weiter auf die Lichtung zu, auf der sie die Pferde zurückgelassen hatten. Versonnen schlenderte der Zwerg durch den lichten Sommerwald und sog die Eindrücke mit allen seinen Sinnen in sich auf. Endlich wieder den hohen Himmel über sich zu haben, die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf seiner Wange zu spüren, die würzige Luft in seine Lungen einzusaugen. Die Vögel stimmten ihr Abendlied an. Wie gern hätte er sich ins Gras gelegt, um ihnen zu lauschen, doch da sah er wieder Rolanas blasses Gesicht vor sich, und sein Lächeln erlosch. Verdammt, warum musste das passieren, als sie die Freiheit schon vor Augen hatten! Er fühlte tiefe Sorge in sich. Wenn sie keine Hilfe fände, sah es nicht gut für sie aus, doch wo konnten sie einen Heiler auftreiben?
Der Zwerg erreichte die Lichtung und sah erstaunt, dass die Pferde alle noch da waren, allerdings in einem erbärmlichen Zustand. Thunin sprach beruhigend auf die verängstigten, abgemagerten Tiere ein, nahm sie dann bei den Zügeln und führte sie zum See hinunter. Die Sonne war schon hinter den Bäumen verschwunden, als sie das Ufer erreichten. Gierig traten die Tiere ins seichte Wasser und begannen zu trinken. Thunin ließ sich müde am grasigen Hang nieder, stützte den Kopf in die Hände und betrachtete die Burg. Nicht nur der Bergfried war stark beschädigt, auch ein Teil des Hauptgebäudes war eingestürzt, der Ostflügel lag in Trümmern. Irgendwo flammte noch immer ein Feuer, und weißer Rauch stieg von zahlreichen bereits gelöschten Stellen auf. Ameisengleich rannten einige Männer über die Brustwehr und verschwanden dann wieder aus seinem Blickfeld.
Bevor es völlig dunkel wurde, fing der Zwerg die Pferde ein und ritt zur Burg hinüber. Die Zugbrücke war hochgezogen, und zwei Wachen auf dem Wehrgang richteten ihre Pfeile auf den Zwerg, als sie ihn kommen sahen.
»Verschwinde!«, schrie einer der Wächter. »Wir können hier kein Gesindel gebrauchen. Los, hau ab, sonst jagen wir dir einen Pfeil zwischen die Rippen!«
»Lasst mich ein«, rief der Zwerg eindringlich. »Dort drüben am Friedhof liegt eine junge Frau. Sie ist schwer verletzt und braucht Hilfe.«
»Auf diesen Trick fallen wir nicht herein«, antwortete der Wächter ärgerlich. »Geh endlich, wir haben mit Fremden schon genug Ärger gehabt.«
Doch der Zwerg war nicht bereit, so schnell aufzugeben.
»Gräfin Lamina von Theron hat uns geschickt«, versuchte er es noch einmal.
»Lügner«, brüllte der Mann von der Brustwehr zurück. »Sie sind alle tot, hörst du, tot!« Drohend zischten zwei Pfeile über den Zwerg hinweg.
Thunin fluchte vor sich hin, zog sich vorsichtshalber aber außerhalb der Reichweite der Pfeile zurück. Er warf noch einen Blick auf die abweisenden Mauern, dann ritt er seufzend zum Friedhof zurück. Er dachte an Lahryn in seinem Kellergefängnis. In die Burg war er anscheinend nicht zurückgekehrt, sonst hätte der Wächter nicht so reagiert. Vermutlich war der Keller zu seinem Grab geworden, dachte der Zwerg traurig.
Cay weigerte sich zu schlafen. Die ganze Nacht saß er da, Rolanas Kopf in seinen Schoß gebettet, streichelte ihr Haar und kühlte ihr Gesicht. Thunin und Ibis schliefen zusammengekauert im Gras, doch auch Vlaros wollte sich nicht zur Ruhe legen. Meist schritt er außerhalb des Lichtscheins auf und ab. Immer wieder blieb er stehen und sah zu Rolana hinüber. Wenn sein Blick Cay streifte, verengten sich seine
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