Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
lief er weiter. Da vorne war eine Treppe, endlich! Er konnte Ibis erkennen, die mit der Fackel in ihrer Hand winkte und aus Leibeskräften schrie. Das schwarze Wasser wirbelte schon um seine Knöchel, und zäher Schlamm griff nach seinen Füßen. Er dachte, seine Lungen müssten bersten, doch er kämpfte sich weiter.
»Bei allen Göttern, du wirst leben«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
Er stand schon bis zur Hüfte im Wasser, als er die Treppe endlich erreichte. Schnell eilte er hinter Ibis die Stufen hinauf. Das gurgelnde Wasser folgte ihnen. Oben auf einem Absatz warteten Vlaros und Thunin vor einem massiven Eisengitter. Wie ein Wilder schlug der Zwerg mit seiner Axt auf die Stäbe ein, doch die rührten sich nicht.
»Ibis, wo bleibst du?«, brüllte er die Elbe an. »Willst du, dass wir alle ersaufen?«
»Ach, wolltest du Cay und Rolana zurücklassen? Ein feiner Freund bist du«, keifte die Elbe, während sie sich einen Weg zu dem verrosteten Türschloss bahnte. Fieberhaft durchwühlte sie die Taschen ihres Rucksacks, während das stinkende Wasser um ihre Füße gurgelte.
»Beeil dich, Ibis«, drängte Vlaros, »das Wasser steigt schnell!«
»Verflucht, glaubst du, ich trödle hier absichtlich herum?«, fauchte sie zurück.
Es war zum Verrücktwerden. Immer wieder glitten die gebogenen Stifte im Schloss ab. Schon stand sie bis zum Bauch im Wasser und konnte das Schloss nicht einmal mehr sehen, da endlich spürte sie das Klicken und stieß die Gittertür auf. Die Treppe führte noch zwei Windungen nach oben und endete dann unter einer Falltür. Mit einem kräftigen Stoß stemmte Thunin sie auf und kletterte dann in eine niedrige Gruft. Die Freunde folgten ihm. Steinsärge standen sauber aufgereiht an der Wand, in einer kleinen Nische war ein Altar mit Kerzen und vertrockneten Blumen. Durch die schmiedeeiserne Gittertür sickerte bleiches Tageslicht. Die Tür war nicht verschlossen, und die Freunde traten auf den dämmrigen Friedhof hinaus. Gierig sogen sie die frische Luft in ihre Lungen und blinzelten zu dem blassblauen Himmel hinauf, der sich über den alten Tannen wölbte. Es roch nach feuchtem Moos und Harz. Die milde Nachmittagssonne sickerte durch das dunkelgrüne Nadelkleid.
Cay bettete Rolana vorsichtig ins weiche Moos. Ihr Haar war blutverkrustet, und noch immer floss ihre Lebenskraft glänzend rot aus einer klaffenden Kopfwunde davon.
Thunin schob den jungen Mann zur Seite und griff nach Rolanas Hand. Er umschloss das kalte, schmale Handgelenk – nichts, er spürte nichts. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, als er zitternd seine Finger auf ihren Hals legte.
»Sie lebt«, sagte er, »doch ihre Lebenszeichen sind schwach. Wir müssen die Blutung stoppen, und dann will ich sehen, was ich für ihr Bein tun kann.«
So verkrümmt, wie es dalag, bestand kein Zweifel, dass es an mehreren Stellen gebrochen war. Der Zwerg drückte Vlaros, der mit weit aufgerissenen Augen und zitternden Händen dastand, den Wassersack in die Hand und gebot ihm, ihr das Blut vom Gesicht zu waschen. Der Zwerg schnitt derweil ein Stück von einem Leinenhemd ab, drehte es zu einem festen Ballen und drückte es auf die Wunde. Mit einem Leinenstreifen band er das Knäuel fest. Dann wandte er sich mit bekümmertem Blick dem verdrehten Bein zu. Vorsichtig schlitzte er die wildlederne Hose auf und fuhr dann mit seinen dicken Fingern an dem geborstenen Knochen entlang. Seine Augenbrauen zuckten, als er die verschobenen Enden fühlte.
Ibis erhob sich. »Ich sehe mal nach, ob ich geeignete Äste finde, mit denen man das Bein schienen kann.«
Thunin nickte. »Ja, tu das und sieh zu, dass du frisches Wasser findest. Und nimm Cay mit. Es macht mich nervös, wenn er ständig mit dieser Leidensmiene neben mir steht.«
Er wartete, bis die beiden verschwunden waren, dann winkte er Vlaros heran. Mit strenger Miene befahl er ihm, Rolana festzuhalten, während er versuchte, die Knochenenden zueinander zu schieben.
»Ich kann das nicht sehen«, jammerte Vlaros und kniff die Augen zu.
Thunin brummte nur unwillig und warf immer wieder einen besorgten Blick auf Rolanas Gesicht, doch noch immer schwebte sie in tiefer Bewusstlosigkeit.
Bald waren Ibis und Cay zurück, brachten gerade, entrindete Äste mit und auch eine Hand voll Kräuter. Ibis war sich sicher, dass Rolana diese ihr auf ihrer Reise nach Theron gezeigt und erzählt hatte, wie gut sie die Heilung von Wunden vorantrieben. Cay ging gleich noch einmal los, um am
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