Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Ketills Kompliments. Die anderen zwei Schiffe, die neben der „Hjemborn“, dem königlichen Drachenboot, gefahren waren, ließen sich, als das Schiff in den Hafen einlief, ein Stück zurückfallen, um den nötigen Respekt zu zollen. Ein großer Steinsteg, der von der breiten Allee abging, die sich den Berg hinaufschlängelte, markierte den Hauptanlageplatz der Hauptstadt der Drakinger. Er war überfüllt mit jubelnden Menschen, die gekommen waren, um den König zu empfangen und Verwandte zu begrüßen und die mitgebrachte Beute zu würdigen. „Wenn sie wüssten, welch wertvolle Beute Gunnar dabei hat, würden sie noch fröhlicher schauen“, murmelte Ketill. Stikle brummte neben ihm etwas in seinen Bart.
„Der König möchte, dass ihr als Gäste in seinem Hause weilt“, meldete Aswin sich zu Wort. Die Brücke wurde herabgelassen, eine Fanfare ertönte: vom Ufer her bliesen sechs Norr in eine langg ezogene Blechposaune, deren Kopfstück wie ein Drachenmaul geformt war. Die Menschen, die auf dem Landungssteg standen oder weiter hinten am Kai beugten ihre Knie, ein rotes Tuch wurde über die Holzplanke ausgelegt und Gunnar ging an Land. Aus der Masse der nun schweigenden Menge, kam eine Frau mit einem roten Gewand auf ihn zugelaufen und schmiss sich ihm an den Hals. Ketill stieß Aswin mit seinem Ellenbogen in die Seite. „Wer ist das?“
„Das ist Sveia, die jüngste Tochter des Königs.“
Ketill hatte bisher nur von den drei Brüdern gehört, die das Erbe Gunnars eines Tages unter sich aufteilen würden: Thorgnyr, Turpe und Svein. Sveia mochte um die zwanzig Winter zählen. Sie hatte, wie Thorgnyr, feuerrotes Haar, schien aber im Gegensatz zu ihrem Bruder ein fröhliches Gemüt zu haben. Sie war groß und schlank und hatte, wie Ketill fand, ein spitzbübisches Gesicht, was wohl vor allem an ihrer kurzen Spitznase, die von einzelnen Sommersprossen bedeckt war, lag. Ketill hörte sie kichern und den König mit Fragen überhäufen, bis dieser eine Handbewegung machte, woraufhin eine Kiste von Bord gebracht wurde, die gleich geöffnet wurde. Drinnen befanden sich bunte Tücher, die Sveia begeistert an ihr Gesicht drückte. Gunnar ging auf einen Mann zu, der im Hintergrund gewartet hatte, aber nun selbst leicht humpelnd nach vorne trat. Dies musste, so wusste Ketill, Svein sein, der älteste Sohn Gunnars. Er war selten auf Beutefahrt, vom Gemüt ganz anders als Thorgnyr und regelte in der Hauptstadt eher das Geschäftliche. Er war großgewachsen, trug einen grauen Umhang und einen kurz geschnittenen Bart. Seine einfache Wollkleidung deutete an, dass Svein kein ambitionierter Mann war. Ketill dachte darüber nach, wie anders sein Leben verlaufen wäre, wenn König Gunnar nur zwei Söhne gehabt hätte. Dann würde er wohl in Throndje am Hofe seines Onkels weilen oder einen geruhsamen Winter im Dreischafetal verbringen. In Gedanken versunken spürte er einen Ellenbogenhieb in seinen Rippen. Aswin hatte sich revanchiert und deutete auf König Gunnar, der Ketill zu sich winkte.
„Kommt mit“ rief Ketill Stikle und Eirik zu. Als Vertreter der Wolfinger wollte er dem Volk der Drakinger nicht alleine gegenübertreten. Die drei Wolfinger gingen vom Schiff und traten Gunnar, Svein und Sveia gegenüber. Sveia klatschte in die Hände. „Noch ein Geschenk für mich.“ Ketill fragte sich, ob er diese Beleidigung entsprechend entgegnen sollte, da sagte Svein: „Lass die Sche rze, Schwester. Entschuldigt meine ungestüme Schwester, Ketill. Sie glaubt, sie ist witzig, wenn sie geschmacklos ist.“ Sveia schaute ihren Bruder böse an, doch Ketill verbeugte sich. „Ein gelungener Scherz und in der Tat nicht so weit von der Wahrheit entfernt, da ich doch als Gefangener auf diesem Boden stehe.“ Gunnar warf ein: „Das will ich nicht gehört haben, Ketill. Ihr seid mein Gast und werdet mit in mein Haus kommen. Solange werdet ihr denselben Status haben, wie meine beiden Kinder hier.“
„Dann darf ich das Schiff nehmen und davonsegeln?“
„Das dürfen meine Kinder auch nicht, König Ketill. Seid nicht weiter gram, dass Ihr hier weilen müsst. Lasst mich vorstellen: Sveia und Svein.“ Nun verbeugten sich die Angesprochenen ihrerseits, Sveia schaute Ketill dabei, so lange wie es ging bevor der Kopf zu tief sank, in die Augen. Ketill konnte nicht umhin, die Stadt und die Menschen zu mögen.
„Eure Kinder dürfen nicht fort, sagt Ihr? Pah, kein Wunder, dass die Drakinger es zu nichts bringen werden, wenn…“ Ketill
Weitere Kostenlose Bücher