Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Pochen in seinem Schädel hatte abgenommen, auch wenn es immer noch da war. Er befand sich wieder in der Baumkuhle, doch diesmal war es taghell und er konnte, wenn er sich umdrehte, sehen wo er sich befand. Um ihn herum gab es viel Bewegung. Frauen, ähnlich gekleidet wie Hal’feira kamen und gingen aus dem angrenzenden Waldstück, eine von ihnen hatte einen erlegten Hirsch über ihre Schulter geworfen. Er blickte hinauf zu einem Platz, an dem sie gestern wohl gemeinsam gesessen hatten – vereinzelt lugten grüne Grashalme aus dem lehmigen Boden hervor, in der Mitte glühten noch ein paar Stücke Kohle vor sich hin. Wo aber waren Daaria und Hal’feira?
Er stand auf und schaute sich im Lager um. Es gab nicht nur Baumhöhlen, in denen er manches Mal Kleidungsstücke oder Kochgeschirr lieg en sah. Vereinzelt sah er auch Baumhütten, die über Leitern erreichbar waren. Offensichtlich war dies hier ein dauerhaftes Lager. Egal wohin er ging, überall sah er nur Frauen. Im Gegensatz zu den Frauen, die er aus seinem Dorf, den Städten der Ankil oder der Norr kannte, hatten diese Frauen allerdings wenig Weibliches an sich. Nod sah nirgendswo eine Frau, die die Wäsche in einem Bach wusch oder den Platz vor der Hütte fegte. Er sah nur geschäftiges Treiben – Frauen, die vor einem Amboss standen und auf ein glühendes Schwert einschlugen, Frauen, die das Fell eines erlegten Wildschweins gerbten, Frauen, die mit einer Axt neue Kerben in einen Baum schlugen, um den Aufgang zum Baumhaus zu erleichtern. Und seltsamerweise schien ihn keine der Frauen zu beachten, obwohl er offensichtlich das einzige männliche Lebewesen in diesem Lager war. Sie alle mussten von seinem Aufenthalt hier gehört haben.
So weit er auch durch das Lager schritt, er fand keine Spur von Daaria oder Hal’feira. Er wollte niemanden fragen, da die Kriegerinnen, die hier lebten, seine Sprache wohl gar nicht verstanden. Außerdem fühlte er sich seltsam unsicher angesichts dieser Anhäufung von kämpferischen Frauen, die sein bisheriges Bild des schwachen Geschlechts so unerbit tlich durchbrachen.
So ging er immer weiter und staunte nicht schlecht, als er feststellte, dass dieses Lager viel größer war, als er anfangs angenommen hatte. Hinter dem nächsten Hügel, hinter de m nächsten Dickicht – immer, wenn er dachte, den Rand des Lagers erreicht zu haben, sah er eine weitere Konstruktion, einen Haufen Feuerholz, eine Gruppe von Frauen, eine Hütte oder eine mit Gegenständen besetzte Baumhöhle. Als er an zwei Kriegerinnen vorbei ging, die sich gerade unterhielten, schubste eine der beiden ihn unvermittelt seitlich an. Er stolperte ein wenig und stand verdattert da. Wollte die Frau, die ihn angegriffen hatte, ihn zu einem Zweikampf auffordern? Aber sie deutete mit dem Gesicht hinter ihn und zeigte mit dem Finger auf etwas, das er vorher trotz der Größe nicht bemerkt hatte. Hinter einem kleinen Hang, dessen Baumspitzen weit hinauf reichten, ragte die Spitze eines Steinturmes hervor. Die Frau, die ihn geschubst hatte, deutete immer wieder auf den Turm und die andere lachte dazu.
Nod machte sich auf, den Turm zu erreichen. Er war weiter weg, als es anfangs geschienen hatte. Nachdem er den Hügel überschritten hatte, sah er, dass er noch vier gute Steinwürfe entfernt war. Erst jetzt konnte er das ganze Ausmaß des Lagers überblicken. Es war riesig und schien keine Pal isaden oder Steinmauer zu haben, um es vor Angreifern zu beschützen.
Am Fuße des Turmes angelangt, fragte sich Nod, ob er hier wirklich Daaria finden würde. Der Turm hatte einen so großen Umfang, dass er das Gefühl hatte vor einer eigenständigen Festung zu stehen. Als er ihn umschritt, fand er an der Westseite ein großes, geschlossenes Holztor, das über ein paar Steinstufen zu erreichen war. Er überlegte sich, ob er versuchen solle das Tor zu öffnen, als sich eine der Türen langsam und quietschend öffnete. Es trat eine ihm unbekannte Kriegerin heraus, dann folgten Daaria und Hal’feira, die ihn mit blitzend weißen Zähnen anstrahlte, so dass er das Gefühl hatte, gleich wieder Kopfschmerzen zu bekommen.
„Staer’cui, du bist wach.“ Er nickte. „Wir wollten dich gerade holen, um mit dir zu reden.“
Hal’feira trat vor. „Du hast sicher Fragen.“ Er nickte. „Ich spreche ein wenig von der neuen Sprache. Den Rest kann mir Daaria übersetzen. Wir gehen hoch.“ Sie drehte sich um und Nod bedrängte Daaria auf dem langen Weg nach oben mit Fragen danach wo sie
Weitere Kostenlose Bücher