Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Hallders Halle oder wir reiten noch bis der Mond am Himmel steht und könnten morgen Abend da sein.“ Ketill drehte sich um und sah in erwartungsvolle Gesichter. Keiner sah so aus, als ob er trotz der Strapazen der Reise abgeneigt sei, noch weiter zu reiten.
Hallders Halle war ein in einer Bucht gelegenes, verlassenes Haus, in dem früher ein König gelebt hatte, der über das ganze südliche Ulhala regiert hatte. Hallder hatte jedoch keine Nachkommen und von einem verheerenden Feldzug gegen die Rus waren er und seine Männer niemals zurückgekehrt. Seitdem stand die Halle leer, da sie zu abgelegen von der Handelsroute der Norr war, trotz ihrer strategisch günstigen Lage. Dort konnte die Gruppe sich ein paar Tage ausruhen und auf weitere Männer aus dem Süden warten.
Als Ketill das Signal zum Weiterreiten gab, war es sein Vater, der mit einem lauten „Jaaaa“ nach vorne preschte und dessen Pferd weiße Schneewirbel hinterließ. Die Männer lachten und schüttelten den Kopf angesichts der Veränderung des Mannes. Von dem mürrischen Bauern war nichts mehr zu spüren.
Der Mond stand schon am Himmel, als Ketill das Zeichen zum Rastmachen gab und man ein Lager aufschlug. Schnell wurden die Pferde und Hunde versorgt und Felle ausgelegt. Hake und Ferni verschwanden in der Dunkelheit, um zu jagen und kamen bald mit einem Hirschbock zurück. Die Männer nickten anerkennend mit den Köpfen, doch Ferni führte das Jagdglück auf die Götter zurück, die ihnen beigestanden hätten.
Als man am Lagerfeuer saß und die Männer schon gespeist hatten, fing Stikle auf einmal an zu e rzählen: „Mein Junge war schon immer ein Draufgänger, wisst ihr? Er hat schon früh allerhand Streiche gespielt und dafür gesorgt, dass er bekam was er wollte.“
Ketill verdrehte die Augen, doch sein Vater legte lachend die Hand auf seinen Arm. „Kein Angst, mein Junge, ich erzähle keine Kindergeschichten von dir. Äh, nur eine vielleicht.“ Daraufhin lachten die Männer.
„Ja wisst ihr, er hat aber auch immer dafür gesorgt, dass es gerecht zuging. Einmal wurde der kleine Hauge für etwas bestraft, das er gar nicht…“
Ketill hörte nicht zu, sondern schmunzelte in sich hinein. Es war schön, dass sein Vater seine Verbitterung abgelegt hatte und dass er sogar mitgekommen war, um für die Sache seines Sohnes einzustehen.
Er schaute auf Linja , die sich wie immer im Hintergrund hielt und deren Gesicht er nur manchmal ihm gegenüber beim Aufflackern der Flammen sah. Als sie merkte, dass er sie anschaute, blickte sie zurück, mit gnomisch, schelmischem Blick. Auf die Veränderung seines Vaters angesprochen, hatte sie gesagt, dass sie nur eine gute Zuhörerin sei. Sie musste eine sehr gute Zuhörerin sein.
„…also ist er dann zu Joju n gegangen, dem damaligen Jarl des Ortes und hat ihm gesagt, dass er selbst den Apfelkuchen gestohlen hätte, könnt ihr euch das vorstellen? Mein Sohn.“
Ketill erinnerte sich an die Geschichte. Es war ein wenig anders gewesen, als sein Vater es gerade darstellte. Er hatte nicht wirklich zugegeben, dass er einen Apfelkuchen gestohlen hätte, hatte sich aber für den anderen Jungen eingesetzt. Ketill fragte sich, ob sein Vater die Geschichte bewusst übertrieb oder ob er sie einfach falsch in Erinnerung hatte. Aber bevor er sich versah, stimmten die Männer einen Lobesspruch auf ihn an: „Es lebe König Ketill.“ Er hatte das Gefühl, dass sie ihn sogar verehren würden, wenn er rülpsen würde. Jemand bat Eyvind ein Lied zu dichten und Eyvind klimperte ein wenig auf seiner Harfe, bevor er eine seltsam traurige Melodie spielte. Dazu sang er.
„Ein Königreich zu bilden,
ist manchen Kriegers Traum.
Doch kann er dem Anspruch
d es hohen Stuhles gerecht werden?
Wir alle träumen,
ob groß, ob klein,
wollen Herren unseres
v ergänglichen Lebens sein.
Doch wer kann sagen
w as morgen ist?
Nicht einmal Aedin
kennt der Nornen Gemüt.
Und weiß ob
Warg oder Wurm
a m Ende obsiegt.“
Die Männer blickten stumm ins Feuer. Nur Stikle brummte: „Was für ein bitterer Gesang in froher Stunde, Skalde.“ Eyvind hob abwehrend die Schultern. „Ich spiele das, was da ist. Ich habe mir schon lange abgewöhnt nach den Erwartungen anderer zu gehen.“
Als die Männer in ihre Feldbetten gehen wollten, hörten sie dann ein Krächzen über sich. Ketill sah nach oben und sah einige dunkle Schatten durch den Himmel streifen. „Raben“, sagte einer der Männer. Dann heulte in der Ferne ein Wolf
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