Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Gesicht war von der Helligkeit des Fensters hinter ihr eingerahmt und verriet nichts über ihre Gefühle. Selbst die nun schon deutlich sichtbare Wölbung ihres Bauch war kaum zu erkennen.
„Was?“
„Ich habe gesagt, dass Sörun plant im nächsten Frühjahr heimzufahren.“
„Heim? Was heißt heim?“
Nieda und Hjete schauten sich an und verdrehten ihre Augen. Weila schmatzte am anderen Tischende vor sich hin. „Ins Dreischafetal“, sagte Nieda genervt.
An’luin zuckte zusammen. Er hatte dieses Thema verdrängen wollen und vergessen. Aber eine En tscheidung schien unausweichlich. Er legte den Holzlöffel nieder und versuchte selbstbewusst zu klingen, seine Stimme war aber viel höher als ihm lieb gewesen wäre.
„Wir haben es doch gut hier.“
Hjete legte den Arm auf seine Schulter. „Seit Generationen sind Weyas Kinder im Dreischafetal aufgewachsen. All unsere Vorfahren sind dort geboren, bis zurück zu Frodi. Starkirs Asche ist dort. Ich will auf jeden Fall zurück, Schwiegersohn. Und ich freue mich, wenn meine Tochter mich begleiten kann.“
Nieda lächelte ihn erwartungsvoll an.
Er dachte an die gemütlichen Abende im Bakkenhof, die Freundlichkeit der Dreischafetäler, die ihn aufgenommen hatten wie einen der ihren und an den furchtbaren Tod von Jarl Starkir. Und er dachte an die Laurii, die irgendwo dort jenseits des Meeres wohnten und ihn für kurze Zeit beherbergt hatten. Er dachte an die zauberhaften Lichter, die manchmal am Himmel aufgetaucht waren, nachts, und die wie geheime Botschaften Mu’draks gewirkt hatten. Ja, es war eine schöne Zeit gewesen, die er im Dreischafetal verbracht hatte und er wollt sie keinesfalls missen.
Aber er dachte auch an die langen Nächte, die nicht enden wollten und an die Kälte, die bis in die Knochen fuhr und die unerbittlich war, vor der es selbst drinnen in den Hütten kein Entrinnen gab. Und er dachte daran, dass keine Händler ins Dreischafetal kamen, dass dieses Tal mehr oder wen iger von der Außenwelt abgeschnitten war und nur per Schiff zu verlassen war. Und bei diesem Gedanken wurde ihm eng ums Herz und er wusste, dass er dort nicht den Rest seines Lebens verbringen wollte.
Nieda schien seinen Gedankengang gelesen zu haben, denn ihre Miene verdunkelte sich. Sie fauchte ihn an: „ Du denkst immer noch an Cathyll. Wahrscheinlich kannst du es nicht erwarten sie wiederzusehen.“ An’luin wollte etwas sagen, allerdings fielen ihm keine passenden Worte ein, so dass ihm der Mund offen stehen blieb. Nieda war nun aufgestanden und in ihren Augen konnte er die ersten Tränen sehen.
„Nein, ich,… es hat nichts mit Cathyll zu tun. Wie auch? Sie ist doch verheiratet und gar nicht hier.“ Nieda schluchzte noch im Ste hen, während Hjete Weila am Ärmel packte und mit ihr zusammen das Geschirr abräumte.
„Weil sie verheiratet ist, hast du keine Hoffnung mehr. Aber du liebst sie noch.“
„Nein, wirklich nicht. Ich denke gar nicht mehr an sie. Ich…, ich liebe doch nur dich, das weißt du doch.“
An’luin kam sich erbärmlich vor. Er hatte im Zweikampf Steinn besiegt, doch er kam sich in G egenwart von Nieda hilflos vor. Seine Worte klangen hohl und er saß kraftlos da, nicht wissend, ob es besser wäre aufzustehen oder sitzenzubleiben.
„Dann komm mit uns ins Dreischafetal.“
„Nieda, ich bin hier geboren, so wie du dort geboren wurdest. Ich will hier nicht weg.“
„Aber du bist gar nicht hier geboren, sondern in den Sümpfen.“
„Ja, aber hier auf diesem Land. Und außerdem: bei uns in Ankilan bestimmen die Männer, was getan wird.“ An’luin hörte Hjete kurz auflachen.
„Bei uns bestimmt niemand über den anderen. Man macht alles für den, den man liebt. Aber anscheinend liebst du ja eine andere mehr als mich.“
An’luin wollte schreien. Warum ging es immer um Cathyll und nicht darum, was er wollte? Er sagte, endlich laut und mit fester Stimme: „Ich will gar nichts von Cathyll. Sie ist mir egal.“
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Noch bevor jemand antworten konnte, schwang sie auf und ein aufgeregter Ha’il Usur kam keuchend herein. Er japste: „An’luin, es ist alles geregelt. Wir können sofort nach Mal Tael reiten, um nach der Königin zu schauen.“
Dann blickte sich der Berater um und sah in die entsetzten Gesichter Hjetes und Niedas. Er blieb stehen und stammelte: „Naja, ich warte mal draußen. Lass dir Zeit mit deiner Entscheidung.“
56. Auf dem Weg nach Birkesund
as Schaukeln wiegte ihn in
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