Die Drachenperle (German Edition)
gesehen. Wie hatte Madox sich das eigentlich vorgestellt? Er hatte noch nie unter freiem Himmel geschlafen! Möglicherweise gab es hier wilde Tiere, die selbst einem berufenen Erlöser gefährlich werden konnten?
Makoto stutzte. Noch nie unter freiem Himmel geschlafen … woher wusste er das? Wo hatte er überhaupt früher geschlafen und gewohnt, und: bei wem ? Angestrengt suchte er nach Erinnerungen, bis ihm der Kopf wieder wehtat. Er achtete nicht mehr auf seine Schritte, und so kam es, dass er in ein tiefes Loch fiel. Und fiel, und fiel…
Ohnmächtig vor Schreck lag der Junge auf dem Boden der Erdhöhle. Der Sturz war heftig gewesen. Die Ohnmacht wandelte sich alsbald in einen unruhigen Schlaf der Erschöpfung. Makoto träumte.
Er war auf der Flucht, jemand bedrohte ihn. Er lief so schnell er nur konnte, aber sein Verfolger blieb dicht hinter ihm. Gleich würde er ihn erwischen und ihn verprügeln, wie schon so oft zuvor. Nur so aus Spaß, aus reiner Freude an der Brutalität. Makoto hörte ihn schäbig lachen, und die Angst vor dem , was unausweichlich war, schmerzte in seinem Bauch und sein Herz verkrampfte sich. Dann packte ihn eine grobe Männerhand an den Haaren und riss ihn zu Boden und wirbelte ihn herum, so dass Makoto in sein furchterregendes Gesicht blicken musste, aber es war leer, er hatte gar kein Gesicht…
Mit einem entsetzten Keuchen wurde Makoto wach. Sein Herz schlug wie wild. Er wusste nicht wo er war. Schon wieder nicht. Ihm war ganz elend, der Traum wirkte noch nach. Angestrengt lauschte er ins Dunkel, ob noch jemand außer ihm hier sei. Oh Gott, nein - da war ein Atmen, ein langgezogenes, rhythmisches Atmen wie ein leises Grollen. Makoto quiekte vor Angst. All seine heldenhafte Zuversicht schrumpfte zusammen, bis sie so klein war wie eine Sommersprosse auf Issyrles Gesicht. Er wünschte, sie wäre jetzt hier bei ihm.
„Da bist du ja, ich habe schon so lange auf dich gewartet.“
Makoto hielt die Luft an, um seine Position nicht zu verraten. Als er es nicht länger ohne Atem aushielt, bemühte er sich, ganz flach und leise zu atmen. Er bewegte sich nicht, obwohl ihm sein Körper an einigen Stellen arg wehtat.
„Oh, ich vergaß“ , brummte sanft die dunkle Stimme, die aus der gegenüberliegenden Ecke kam. „Du kannst nicht wie ich im Dunkeln sehen, du bist ja ein Mensch. Verzeih mir bitte.“ Langsam wurde die Umgebung heller. Makoto konnte Umrisse erkennen. Offenbar war er in einer Höhle. Das Licht aus unbestimmter Quelle wurde noch heller. Als er erkannte, wem er sich gegenüber sah, drohte Makoto erneut in Ohnmacht zu fallen.
Ein Drache!
„Habe keine Angst. Was immer du glaubst , über Drachen zu wissen, auf mich trifft es nicht zu. Ich speie kein Feuer, ich fresse keine Menschen und erst recht keine Jungfrauen , und ich verursache auch keine Erdbeben. Nein, nein. Ich bin der Drache der Weisheit!“
Es dauerte noch ein Weilchen, ehe Makoto seine Stimme wieder gebrauchen konnte, zu sehr war ihm der Schreck in die Knochen gefahren. „Wie bin ich hierhergekommen? Eben war ich noch im Wald, auf der Suche nach dem Tempel. Und dann habe ich geträumt von einem tiefen Fall und…“
Der Drache schüttelte verneinend sein ehrwürdiges Haupt. „Nein, der Fall war echt. Du bist in ein Loch getreten. Übrigens war das ein Glücks fall , auch wenn du dir dabei einige blaue Flecken geholt haben magst. Irgendwi e musstest du ja zu mir kommen. Haha, ich mag das kleine Wortspiel. Du verstehst doch? Glücks- Fall ! Aber dein Traum, der war echter, als es dir lieb sein kann.“
„Was meint ihr damit, Ehrwürdiger: echter, als es mir lieb sein kann ? Und wieso wisst Ihr, was ich geträumt habe?“ Makotos Angst wich nun einer gesunden Neugier. Er ließ seine Blicke schweifen und staunte über die enorme Größe der Höhle. Und so schön war diese Höhle! Überall funkelten an der Decke und den Wänden der Höhle Kristalle in verschiedenen Farben und Größen. Der Drache war auch nicht gerade „klein“. Ein imposantes Geschöpf, fürwahr. Nicht umsonst hatte er ihn spontan Ehrwürdiger genannt . In der Tat fühlte er sich nicht mehr bedroht, sondern eher beschützt. Der Drache mit den violett und smaragdgrün glänzenden Schuppen strahlte Ruhe aus. Er war Makoto freundlich zugewandt und begrüßte sein Erscheinen offenbar, sprach sogar von einem Glück.
„Nun, Makoto. Ich habe dir einiges zu sagen.“
„Ihr wisst meinen Namen?“
„Natürlich, ich kenne dich durch und durch. Ich
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