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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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bekannt war, sich neues Gesinde zulegte. Anscheinend schätzte sie ihren Diener Jolim sehr, dass sie ihm Unterstützung zubilligte. Sie war noch für Überraschungen gut!
     
    „Großmutter?“ Taiki klopfte am frühen Abend an die angelehnte Tür des Webzimmers. „Darf ich eintreten?“
    Lydia blickte von ihrer Arbeit auf und legte die buntgefärbten Wollstränge aus der Hand.
    „Komm rein“ , sagte sie tonlos.
    „Hast du das alles gemacht?“ Taiki schaute mit Bewunderung auf die farbenprächtigen Webarbeiten , die auf einem Tisch ordentlich gestapelt waren, und die Wandteppiche. Zwei große und drei kleinere zierten die Wände, ein weiterer war gerade in Arbeit.
    „Das ist wirklich schön, was du mit deiner Hände Arbeit erschaffst.“
    „Danke.“
    „Darf ich dich etwas fragen?“
    Lydia nickte ganz leicht und schaute Taiki auf eine seltsame Art und Weise an, so , als wolle sie herausfinden, ob er ein Mensch aus Fleisch und Blut sei oder ein Wesen ganz anderer Art. Taiki hatte den Eindruck, dass sie selbst nicht ganz in der Realität verankert war. Ihren Augen fehlte etwas, das er nicht genau beschreiben konnte. Es war mehr ein Gefühl, eine Ahnung, dass hier eine zutiefst verletzte Seele sich aus der Welt zurückziehen wollte.
    „Warum gehst du mir aus dem Weg? Sieh doch, ich bin ganz harmlos, ein wirklicher Mensch und dein wirklicher Enkel und würde dich gerne näher kennenlernen, wo ich doch schon meine Mutter nicht kennenlernen konnte. Ich wünsche mir so sehr eine Familie, die ich lieben kann. Und ich will auch gerne für euch arbeiten, ich bin kräftig und fleißig. Sag mir, womit ich dich glücklich machen kann – und ich werde es tun!“
    Einer Eingebung folgend, nahm er ihre Hand in seine und stellte sich vor, dass Liebe von ihm zu ihr floss. Aus seinem bedürftigem, aber übervollem Herzen, über den Arm und seine Hand in ihre Hand, dann den Arm mit einem sanften Kribbeln aufwärts und dann zum Herzen seiner Großmutter, dort sanft verweilend und abwartend, ob die Liebe angenommen würde.
    „Heute Morgen habe ich dich singen hören“ , sagte Lydia leise. „Seitdem habe ich keine echte Angst mehr vor dir. Denn du singst wie Aurelia, aus ganzer Seele. Ich bin dir dennoch aus dem Weg gegangen, weil ich mich dafür schäme, wie ich dich hier empfangen habe, so kalt und abw eisend. Wenn Aurelia das wüsste “ , schluchzte Lydia. „Du bist doch ihr Kind. Das hätte ihr so wehgetan. Wie konnte ich nur so böse sein.“
    Dicke Tränen liefen nun über ihre Wangen , und ihre Lippen zitterten. Sie klammerte sich an seine Hand, als hätte sie Angst, er würde fortgehen, weil sie nicht gut genug für ihn war. So wie Aurelia, so wie ihr Mann Rogan. Fort. Tot.
    „Seit du hier bist , ist mir als wäre Aurelia mitgekommen, aber ich kann sie nicht sehen, nicht hören. Sie ist wie ein unsichtbarer Schatten. Das tut so weh. Ich sehe dich an und glaube in ihre Augen zu sehen, aber es sind deine. Verstehst du? Sie ist da und doch nicht da. Ich habe jahrelang auf ihre Rückkehr gehofft. Aber du, du hast mir die letzte Hoffnung genommen, denn du hast sichere Kunde von ihrem Tod gebracht. Und dafür habe ich dich gehasst. Kannst du mir das jemals verzeihen?“
    Taiki fühlte sich überfordert von ihrem Gefühlsausbruch, aber er bemühte sich, sich davon nichts anmerken zu lassen.
    „Liebe Großmutter, ich wünsche mir einfach nur ein Zuhause, ein echtes Zuhause. Ich versuche zu verstehen, wie schwierig das alles für dich sein muss. Wir werden uns kennenlernen und besser verstehen, und dann gibt es nichts mehr zu verzeihen, dann soll es nur noch Freude und Einigkeit geben. Ja?“
    Lydia erwiderte nun endlich aktiv den Händedruck und ein wenig Leben flackerte in ihren Augen auf. Mit einem zierlich bestickten Taschentuch wischte sie sich die Augen trocken und äußerte dann mit einem kleinen, bemüht tapferen Lächeln eine Bitte:
    „Singst du mir etwas vor?“
    „Magst du die Ballade vom Fischer und der Meerjungfrau? Ich habe sie gelernt, als ich mit Tarmin und seiner Familie auf der Donn´aid mit dem Floß unterwegs war.“
    „Sing einfach. Ich werde alles mögen, was du mir vorsingst“ lächelte Lydia erneut, aber diesmal mit mehr Kraft.
    Und Taiki sang.
     
    Um die Mittagszeit am folgenden Tag wurde Taiki vom Diener frisch gebadet und gut gekämmt und dann , in weiße Leinenkleidung gehüllt , zu seiner Urgroßmutter in ihre Privaträume geleitet. Er ging barfuß und trug die langen Haare offen. Mareika

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