Die Drachenperle (German Edition)
Hoffnung, der kommende Meisterheiler, der unsere Blutlinie fortführen wird und zu neuer Macht und noch größerem Ruhm erstarken lässt. Nie werde ich in dir einen Sklaven erblicken können.“
Er fühlte seine Freiheit schwinden. Alle hatten Erwartungen an ihn, wie es schien! Niemand fragte ihn, war er eigentlich selber für sein Leben wollte. War er nicht mit Leib und Seele Gärtner? Hegen, schützen, pflegen – das war seine innere Welt. Und die Musik! Er sang so gerne! Er wollte doch einfach nur glücklich und frei sein. Und geborgen .
„Urgroßmutter, ich bitte dich herzlich: lass mir Zeit! Ich möchte doch einfach nur euer Enkel und Urenkel sein, Teil einer Familie sein. Ich bin doch gerade erst angekommen, was allein schon ein Wunder ist, dass ich den Weg so schnell zu euch fand. Mein Schutzgeist hat mich wohl geführt. Eine andere Erklärung habe ich nicht dafür.“
„Oh, du wurdest nicht nur geführt – ich habe dich hergezogen! Seit einiger Zeit hatte ich Träume, ich konnte plötzlich deine Existenz wahrnehmen. Und wie orientierungslos du warst , bei allen Göttern. Immer habe ich nach dir gerufen, bei Tag und bei Nacht. Aber nun, mein Lieber, lege dich doch bitte auf diese Liege. Ich will dir jetzt eine Kostprobe meiner Kräfte geben und meine Macht übertragen. Deine Nervenbahnen und die magischen Kanäle müssen von allem fremden Ballast und Unrat gereinigt werden, bevor du mit der Ausbildung beginnen kannst. Du willst doch hegen und pflegen, nicht wahr? Wenn ich mit dir fertig bin, hast du heute noch Gelegenheit, genau das zu tun.“
Taiki gab sofort nach und legte sich gehorsam hin. Zu einem kleinen Teil war er unbewusst immer noch ein Sklave. Mareika schlurfte zum Kopfende und setzte sich leise ächzend auf den bereitstehenden Hocker. Sie verabscheute ihren alten Körper, der immer mehr und mehr seinen Dienst versagte, wohingegen ihr Wille ungebrochen war. Ihren Stock lehnte sie an die Wand.
„So, nun schließe deine Augen und entspanne dich. Sorge dafür, dass du bequem liegst. Es wird eine angenehme Erfahrung sein. Vertrau mir. Ich lege jetzt meine Fingerspitzen an deine Schläfen. Nun atme tief ein und aus, und nochmal, ein und aus. Ein und Aus. Mach weiter so und denke nicht nach.“
Die Alte brachte sich selbst in eine meditative Grundhaltung, blendete dann die Außenwelt aus und sammelte ihre geistigen und magischen Kräfte. Behutsam spann sie zehn Energiefäden und nutzte sie wie Finger. Sie tastete sich damit voran in Taikis Gehirn, verankerte die Fäden in verschiedenen Teilen seines zentralen Nervensystems und ließ sie dann unmerklich anwachsen, so dass sie stabil wie Seile wurden. Damit hatte sie Zugang in seine Energiebahnen und ließ magische Kraft, die sie aus dem Universum zog, fließen und versah diese Magie mit dem Befehl „Reinigen!“. Jedes angstvolle Erlebnis in Taikis Vergangenheit, jede große Entbehrung, jeder tiefe Schmerz hatte verengende Spuren hinterlassen. Durch das Auflösen dieser tief im allerinnersten des Körpers gespeicherten Erfahrungen, in Mareikas Gedankenwelt „Ballast und Unrat“ genannt, schaffte sie Platz für die nun einströmende kosmische Energie, die in allen geborenen Geistheilern so leicht im Überfluss kreisen und fließen konnte. Und genau das war die Quelle der Macht, mit der ein Heiler anderen Menschen half. Die Kraft an sich war neutral und rein, doch nicht alle Heiler waren so. Was Mareika nie begriffen hatte war, dass diese kosmische Kraft, gepaart mit menschlicher Liebe und Hingabe, ungleich wirkmächtiger war im Vergleich zu der Art, wie sie die Kraft gebrauchte. Der Reinigungsprozess ging rasch vonstatten und dann übertrug sie ihm mental ihre Macht, sandte in die Tiefen seines Bewusstseins eine Fülle an Wissen und Erfahrung, bis sie selbst ganz leer wurde und nur noch die grundlegenden Fähigkeiten einer Geistheilerin besaß. Es geschah in Sekundenbruchteilen, und doch fühlte es sich für sie sehr lange an. Mareika durchlebte dabei wichtige Stationen ihrer Laufbahn als Heilerin in allen Höhen und Tiefen. Das letzte Bild, das sie dabei sah, zeigte einen jungen Mann, der mühevoll Hindernisse überwand auf dem Weg zu ihr. Schwarzes Haar, grüne Augen. Taiki.
Taiki spürte eine fließende leichte Wärme in seinem Körper. Das erinnerte ihn an seine Zeit auf der Donn´aid. In Gedanken saß er auf einem winzigen Floß und ließ sich mit dieser Wärme durch seinen eigenen Körper treiben und sah staunend vielfarbige, bewegte,
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