Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
Vom Netzwerk:
Lilia.“
    „Wieso Lilia?“
    „Sie hatte nie ihren wahren Namen preisgegeben. Man nannte sie Lilia, weil sie nach weißen Berglilien duftete. Ich habe erst durch Euch, Herrin, den Namen meiner Mutter erfahren. Aurelia! Wie wunderschön er doch klingt.“
    „Nenn mich nicht länger Herrin, ich bin deine Urgroßmutter. Du hast jetzt dein Heim gefunden, du wirst ab heute Teil der Familie sein. J etzt bist du der Mann im Haus, der neue Herr und Erbe!“
    Taiki strahlte über das ganze Gesicht, doch dann fühlte er einen kleinen Stich im Herzen. Die beiden Frauen des Hauses waren nicht in Liebe miteinander verbunden, obwohl sie Mutter und Tochter waren. Und Lydia – seine Großmutter – hielt ihn für einen Wiedergänger aus dem Reich der Schatten , anstatt ihn von Gefühlen überwältigt in die Arme zu schließen.
    Er hatte sich das Ganze doch etwas anders vorgestellt.
     
    Die Nacht hatte Taiki in einem eigenen Zimmer verbracht, das größer war als die Schlafhütte, die er in seinem alten Leben mit acht Männern geteilt hatte. Das bemerkenswerteste aber war, dass er das erste Mal in seinem Leben in einem richtigen Bett geschlafen hatte. Es war so unglaublich weich und sauber, dass er vor lauter Staunen und Wohlfühlen erst mal gar nicht zum Einschlafen kam. Sogar ein Nachtgewand aus Leinen hatte der Diener ihm gegeben. Taiki hatte gar nicht gewusst, dass es so was gab. Kurz vor Sonnenaufgang wurde Taiki wach und hielt es nicht länger aus, er musste aus dem Haus raus an die frische Luft, denn er platzte fast vor Glück. Die ersten Vögel hatten schon ihr „IchbegrüßedenneuenTag-Gezwitscher“ angestimmt, als Taiki mit nackten Fußsohlen durch den Garten am Hang lustwandelte. Wie schön war es doch zu leben! Die Erde unter seinen Fußsohlen war noch kühl und feucht von der Nacht. Auf den Blättern der Pflanzen lag der Morgentau. Der Duft, der hier aufstieg, war für ihn einfach wunderschön. Alles Grüne war für ihn lebendig, beseelt. Bäume hatten für ihn Persönlichkeit. Baumpersönlichkeit eben, anders als menschlich, aber doch unverwechselbar, einzigartig. Er liebte es, seine Hände an die Rinde eines Baumes zu legen und dessen Lied zu lauschen. Bäume sangen langsam.
    Das Konzert der Vögel nahm zu, gewann an Kraft und am Horizont wagte die Sonne den ersten schmalen, rotgoldenen Blick auf die Erde und den neuen Tag, den sie nun durch ihr Licht erschuf. Taiki konnte nicht anders, er stimmte in das Lied mit ein, reckte seine Arme in die Höhe und ließ seine Stimme melodisch auf- und abschwingen. Er pries die Schöpfung der Götter aus ganzem Herzen.
    Ein Fenster im oberen Stockwerk wurde geöffnet. Lydia schaute zu ihm unbemerkt herunter. Als sie Jolim sah, der den Garten betrat, um Taiki zum Frühstück hereinzubitten, zog sie sich rasch in das Innere ihres Zimmers zurück.
    „Herr, bitte seid so gut und kommt wieder herein. Das Morgenmahl ist bereitet. In diesem Haus wird früh gespeist, denn die Herrin Mareika schläft nur noch wenige Stunden.“
    „Gern, Jolim. Ich habe einen Bärenhunger!“
    Als er dann mit Mareika am Tisch saß, helles Brot aß, das dick mit Butter und Honig bestrichen war, fühlte er sich wie neugeboren. Lydia war nicht erschie nen. Umso besser, dachte die Alte bei sich .
    „Junge, ich habe noch Fragen an dich.“
    Taiki biss erneut herzhaft ab und kaute mit Hingabe das süße Brot, das wohl direkt aus dem Paradies erst auf Goro und dann auf seinen Teller gefallen war. Er nickte zustimmend in Mareikas Richtung.
    „Hast du jemals, sagen wir… etwas Besonderes an dir bemerkt? Fähigkeiten, die sonst niemand hat?“
    Taiki hielt kurz inne, nickte dann bejahend und hielt seinen Becher hoch, damit Jolim ihn auffülle mit der sahnigen Milch. Mit langen Zügen trank er ihn leer, wischte dann den Milchbart mit dem Ärmel ab und wollte zu einer weiteren Scheibe Brot greifen.
    Mareika fiel ihm ungeduldig in den Arm.
    „Junge, also wirklich, du wirst schon nicht verhungern , solange du unter meinem Dach lebst. Unter unserem Dach , entschuldige bitte. Hör zu, das ist wichtig für deine Zukunft. Iss später weiter, jetzt musst du mir genau beschreiben, was du kannst. Also!“
    Taiki hielt verblüfft inne. Was hatte die Alte bloß?
    „Ich habe einmal, als die Jungpflanzen auf dem Gemüseacker erfroren waren, ohne es zu wollen oder zu merken, Saatgut zum Keimen gebracht. Ich hielt es in meinen Händen und dachte an eine gute Ernte, an Wachstum und Nahrung, denn wir waren alle hungrig

Weitere Kostenlose Bücher