Die Drachenperle (German Edition)
kreisende Muster aus Energie. Er konnte nicht wissen, dass er seine eigenen Moleküle sah. Er wusste ja nicht einmal, dass sein Körper aus Molekülen aufgebaut war. Nie mand wusste das zu dieser Zeit.
Auch Mareika in ihrer Überheblichkeit wusste nicht, dass Taiki innerhalb der fließenden Magie auf eine unbewusste Art geistig anwesend war. Das lag außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Sonst hätte sie es nie gewagt, was sie als nächstes tat: sie missbrauchte sein Vertrauen. Sie formte ein Gedankenbild und sammelte darin ihre finstere Absicht. Das Geschöpf, das sie imaginierte, war genauso schwarz und schrecklich wie i hr kaltes, machthungriges Herz.
Schwarz. Rund. Acht haarige Beine. Anhaftend. Einen Faden spinnend. Mehr Fäden. Befestigungspunkte. Etwas daraus formend… zusammenführend… eine Struktur. Netz. Haftend. Und jetzt verankern! Den Anker auswerfen und das Ei legen und mit ihm eine gehörige Portion Skrupellosigkeit, die dieser dumme Träumer braucht um…
Da! Mit einem gewaltigen Fauchen taucht ein Drache auf, seine Schuppen schimmern smaragdgrün und violett. Seine Pranken krallen sich in den Untergrund, fest, unverrückbar. Er stellt sich dem schwarzen Geschöpf entgegen und vernichtet mit seinem heiligen Feuer aus seinem Schlund das Netz und verbrennt das Ei. Sein Wutschrei ist gewaltig und hallt noch lange nach. Nichts bleibt von Mareikas eigenem Unrat zurück. Die Spinne nimmt taumelnd und voller Angst Reißaus. Zurück bleibt der triumphierende Drache, der auf seinem stolzen Haupt eine Krone trägt. In ihrer Mitte ist eine kreisrunde Öffnung, so als wäre dort einst ei ne Perle Teil der Krone gewesen.
Mit einem Aufschrei ließ die Alte Taikis Schläfen los. Ihr Herz raste. Wo kam der Drache her? Wie konnte dieser naive Junge solche Macht besitzen?
„Urgroßmutter, was ist mit dir?“
Taiki öffnete die Augen und setzte sich auf. Er sprang von der Liege und legte besorgt seine Hand auf ihre knochige Schulter. Mareika sah ihn prüfend an. Wusste er denn nicht, was eben geschehen war?
„Ach nichts, mein Junge. Ich hatte eben nur solch einen stechenden Schmerz im Rücken. Das Sitzen auf dem Schemel tut mir nicht gut.“
„Dann lass uns aufhören mit dieser Reinigung. Komm, lass dir von mir helfen, ich führe dich zu deinem Polsterstuhl.“
Während die Alte sich von ihm stützen und führen ließ, überlegte sie, ob seine Ahnungslosigkeit echt oder vorgetä uscht war. Sie war auf der Hut!
„Weißt du, das war ganz angenehm. Ich fühlte eine schöne Wärme in mir , und dann bin ich kurz eingeschlafen, glaube ich. Aber jetzt bin ich hellwach. Sagtest du vorhin nicht, ich könnte noch etwas hegen und pflegen? Soll ich dir Heilkraft in den Rücken senden?“
„Nein, nein. Lass nur, es geht schon wieder.“
Mareika war verstört und mied es, ihm in die Augen zu sehen. Sie hatte das Bedürfnis, ihn abzulenken, damit auf gar keinen Fall eine Erinnerung an diesen Machtkampf in sein Tagesbewusstsein drang.
„Wie konnte ich das nur vergessen?“ , fragte sie scheinheilig mit dünner Stimme. „Geh auf den Balkon, da steht ein Korb. Hol ihn her!“
Taiki übergab ihn seiner Urgroßmutter. Sie hob das Tuch hoch und sah den Vogel im Korb prüfend an. Gut. Er lebte noch.
„Hier, heile dieses arme Geschöpf. Sein Flügel ist gebrochen.“
Mit großem Mitgefühl nahm Taiki behutsam das arme Ding entgegen und zog sich auf die Liege zurück, setzte sich in eine bequeme Position. Er legte seine Hände um den gebrochenen Flügel. Ganz intuitiv ließ er seine Heilermagie wirken. Taiki stellte sich vor, dass der Knochen zusammenwuchs, wie der Vogel über den Balkon hinaus flatterte und kraftvoll seine Flügel schlug, sich einem Schwarm gleichartiger Vögel anschließend. Genau wie damals im Wald, im Land der Taikianer, floss ein goldenes Licht um seine Hände, und diesmal funkelte es sogar und ein leichter Duft nach weißen Berglilien lag in der Luft.
Voller Neid stierte die Alte auf seine Hände. Sie, als geborene Heilerin, war im Gegensatz zu den Allerweltsmenschen ihrer Welt in der Lage, heilendes Licht zu sehen. Taikis Licht war viel größer und schöner als ihres!
„Ich wusste ja nicht, dass du dich auch um verletzte Tiere kümmerst, Urgroßmutter“ , sagte Taiki und strahlte sie an. „Wie schön, dass du so viel Mitgefühl hast.“
Ein kurzes Lächeln zog über das runzelige Gesicht der Alten. Hätte Taiki sich nicht so intensiv um den Vogel gekümmert, hätte er vielleicht gemerkt,
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