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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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eingefunden hatten, um dem Ritus beizuwohnen. Mit einem gerüttelt Maß an Argwohn, was sie aber gut zu verbergen wussten. Konradi wandte sich nun vom Volk ab und drehte sich zu den Ehrengästen um. Er verneigte sich vor ihnen.
        „Ich begrüße die Vertreter der beiden größten Heilerfamilien: Die ehrwürdige Mareika, Erste des Ältestenrates. Die ehrwürdige Athaja, Erste unter den Messerheilern. Hinrich und Zoran, ihres Zeichens Messerheiler. Ich grüße Rodovan, Ratsherr von Neusalzhausen. Ulf, ebenfalls Ratsherr. Und Aladar, unser hochgeschätzter Bürgermeister! Des Weiteren begrüße ich den Vertreter der Kräuterheilkundigen, Ambrosius. Die Erste unter den Hebammen, Friedgardis. “
    Konradi wandte sich wieder den Zuschauern zu.
    „Heute ist der Tag, an dem der neue Meisterschüler hervortreten wird. Eine Prüfung hat er zu bestehen, eine der schwersten! Daher stelle ich nun die Frage: Ist hier und heute ein junger Mensch anwesend, der die Bürde des Meisterschülers auf sich nehmen will?“
    Athaja stupste Sina unauffällig, aber nachdrücklich an. Das Mädchen sprang auf und sagte mit piepsiger Stimme: „Ja. Ich will die Bürde auf mich nehmen.“
    Konradi stellte die rituelle Frage: „Wer bist du, dass du dieses wagst?“
    Sina straffte ihre Schultern und versuchte, ihrer Stimme mehr Kraft zu verleihen. Sie antwortete gemäß dem Ritus der Heilergilde: „Ich stamme aus einer Familie von Heilern, die ihren Ursprung zurückverfolgen kann bis an den Beginn der Heilkunst, die uns Menschen als Gabe der Götter verliehen wurde.“
    Konradi stampfte nun mit dem Eichenstab kraftvoll drei Mal auf. „So unterziehe dich nun der Prüfung, ob du tatsächlich die Gabe besitzt, die der Meisterschüler der Tempelschule beherrschen muss. Denn diese Schule unterrichtet die hohe Kunst der Geistheilung! Du aber entstammst der Linie der Messerheiler. Nur, weil die Linie der geborenen Geistheiler ausgestorben ist, stehst du hier als Anwärterin. Mache dich nun bereit, Großtochter der Athaja, die in Vertretung deiner Eltern Gernot und Hilda als Zeugin anwesend ist.“
    Sina trat einigermaßen gefasst vor den Bürgermeister, der kraft seines Amtes die Aufgabe hatte, dem Meisterschüleranwärter einige Getreidekörner in die Hände zu legen. Er erhob sich von seinem Sitz und ließ sich von seinem Sekretär ein schwarzes, auf Hochglanz poliertes Kästchen reichen. Aladar ging an den Rand der Plattform und zeigte den vorne stehenden Zuschauern das Saatgut. Drei trockene Dinkelkörner vom Vorjahr. Danach schüttete er es in Sinas Hände und nahm wieder Platz.
    Konradi forderte Sina auf, ihre Hände um die Körner zu schließen.
        „Nun zeige uns deine angebliche Macht. Wenn du die Körner Kraft deines Geistes zum Keimen bringen kannst – ohne Wasser, ohne Sonne, ohne Erde – dann sollst du die nächste Meisterschülerin sein!“
    Sina schloss nun die Augen und tat, als ob sie sich konzentrieren würde. Nach wenigen Minuten begann sie vor Aufregung und Schwäche zu schwitzen und schwankte leicht. Sie hätte doch besser frühstücken sollen! Die Zuschauer missdeuteten dies als Anstrengung, die machtvolle, heilige Magie zu wirken und ein Raunen ging über den Platz. Gleich würde es soweit sein! In Wahrheit war es Ausdruck größter Nervosität. Sie konnte nicht mehr tun als zu hoffen, dass Konradi geschickt genug war, ihr das gekeimte Getreide in die Hände zu schmuggeln, ohne dass jemand den Betrug bemerkte! Mareika zeigte ein zynisches Halblächeln und fixierte mit boshaftem Blick Athaja, was Sina zu ihrem Glück nicht sehen konnte, denn Mareika saß hinter ihrem Rücken.
    Konradi bemerkte, wie es um Sina stand und stellte schnell die Frage, ob ihr Werk getan sei.
    „Ja, Wächter. Ich übergebe Euch die Saat zur Prüfung in die geweihte Schale.“
    Konradi, der mit einem Taschenspielertrick, der jedem Gaukler zur Ehre gereicht hätte, in Windeseile die drei Dinkelkörner gegen gekeimte Körner auswechselte, die er in der Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand verborgen gehalten hatte, begutachtete Sinas vermeintliches Werk und machte eine zufriedene Miene. Er ging mit der Schale zu den Ehrengästen und ließ jeden einen Blick hineinwerfen und schritt dann die drei Stufen der Bühne hinunter ins Volk und zeigte auch denen in der ersten Reihe die Keimlinge, was die Nichtsahnenden mit einem „Ah“ und „Oh“ quittierten. Dann stieg er wieder nach oben, stampfte mit seinem Eichenstab dreimal

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