Die Drachenreiter von Pern 03 - Drachengesang
und Mirrim versorgte rasch Menollys Füße.
Als sie fertig war und Menolly aufstand, um in die neuen Kleider zu schlüpfen, ließ sie sich mit einem übertriebenen Seufzer auf das Bett fallen.
»Was ist denn los mit dir?« fragte Menolly.
»Ach, ich ruhe mich noch eine Weile aus«, erwiderte Mirrim. »Später geht das nicht mehr. Du weißt nicht, wie das ist, wenn all diese Burgbewohner und Gildeleute im Weyr herumtrampeln, ihre Nasen in Dinge stecken, die sie nichts angehen, und die Drachen kopfscheu machen. Und wie die essen!«
Mirrim rollte die Augen. »Man könnte meinen, die kriegen daheim nichts. Und …«
Mirrim warf sich in die Kissen und fing wild zu schluchzen an.
»Mirrim, was hast du denn?
Ach so – Brekke! Geht es ihr nicht gut? Ich meine, wird sie nicht zur Gegenüberstellung gehen? Sanra sagt, das sei ohnehin nur Lessas Idee gewesen …«
Menolly beugte sich vor, um die Freundin zu trösten, selbst ganz aufgeregt von dem herzzerreißenden Schluchzen. Mirrims Worte waren schwer zu verstehen, aber Menolly entnahm dem Gestammel, daß sich alle vor dem entscheidenden Moment fürchteten. Brekke wollte nicht mehr leben, und man mußte ihr wieder ein Ziel geben. Mit ihrer Drachenkönigin hatte sie die Hälfte ihres Ichs verloren … völlig ohne Schuld. Sie war so weich und sensibel, und sie liebte F’nor, und das war aus irgendeinem Grund auch nicht recht.
Menolly ließ Mirrim weinen. Sie wußte, welche Erleichterung sie selbst empfunden hatte, als sie am Vortag in Tränen ausgebrochen war. Und sie hoffte aus tiefstem Herzen, daß auch Mirrim noch vor Freude weinen würde. Das mußte einfach so sein. Sie verzieh der Freundin in diesem Moment alle kleinen Posen und Attitüden, weil sie erkannte, daß Mirrim darunter ihre Angst und ihren Schmerz verbarg.
Etwas raschelte am Türvorhang, und dann schoß Tolly in die Kammer. Seine Augen kreisten vor Entrüstung und Sorge. Als er Menolly über seine Herrin gebeugt sah, ging er zum Angriff über, aber Prinzessin in ihrer Ecke stieß einen schrillen Ruf aus, und Mirrims kleine Echse landete sanft auf der Bettkante. Sekunden später flatterten die beiden Grünen herein. Sie nahmen auf dem Hocker Platz und ließen kein Auge von Mirrim.
Prinzessin überwachte sie alle.
»Mirrim, Mirrim!«
Das war Sanras Stimme.
»Mirrim, bist du noch nicht mit Menollys Füßen fertig? Wir brauchen euch beide ganz dringend.«
Als sich Menolly hastig erhob, nahm Mirrim ihre Hand und drückte sie ganz fest. Dann stand sie vom Bett auf, strich ihre Kleider glatt und verließ ebenfalls die Schlafkammer.
***
Mirrim hatte keineswegs übertrieben, als sie von einem Berg Arbeit sprach. Die Sonne war eben erst aufgegangen, aber allem Anschein nach schufteten die Köche schon seit Stunden. Auf langen Tischen kühlten Brote ab. Zwei Knechte schleiften ein frisch geschlachtetes Herdentier zum großen Spieß. An den übrigen Tischen wurden große Wherhühner gerupft und ausgenommen.
Jemand hatte einen niedrigen Tisch über den Korb mit den Echsen-Eiern geschoben, wohl um ihn in der Hektik besser zu schützen. Felena erspähte Menolly, drückte ihr rasch einen Becher Klah in die Hand und fragte, ob sie ein schmackhaftes Gericht aus gedörrtem Fisch kenne oder lieber beim Gemüseputzen helfen wolle.
Menolly entschied sich für ein Fisch-Stew und nannte Felena die Zutaten, die sie benötigte. Allerdings war sie ein wenig erschrocken über die Menge, die sie zubereiten mußte. Sie hatte nicht geahnt, daß zur Gegenüberstellung so viele Leute kamen – weit mehr, als in der Burg am Meer überhaupt lebten.
Der Trick bei einem saftigen Fisch-Stew lag ganz einfach darin, die Masse lange schmoren zu lassen, und so setzte Menolly in Windeseile Fisch und Gemüse in einem großen Kessel an. Danach blieb ihr noch genug Zeit, den anderen zu helfen.
Erregung lag in der Luft. Der Berg von Wurzelgemüse vor Menolly schwand dahin, während sie den Gesprächen der Frauen und Männer lauschte. Es herrschte großes Rätselraten darüber, wer von den Jungen einen Drachen für sich gewinnen würde und welches Mädchen wohl die Königin bekam.
»Keiner hat bisher eine zweite Gegenüberstellung mitgemacht«, meinte eine Frau düster.
»Glaubt ihr, daß Brekke es schafft?«
»Man gab bisher keinem die Gelegenheit dazu …«
»Ob das Risiko nicht zu groß ist?« fragte eine andere.
»Uns hat man nicht gefragt«, bemerkte Sanra spitz.
»Lessa jedenfalls scheint sich etwas davon zu versprechen.
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