Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
Lessa!« Triumphierend entfaltete Sebell die sorgfältig aneinandergefügten Blätter einer großen Karte, von der allerdings noch viele Teile weiß waren. Eine deutliche Küstenlinie zeichnete sich ab, und hier und da reichten farbige Flächen ein Stück landeinwärts. An den Rändern befanden sich Daten und die Namen derer, welche die einzelnen Teile erforscht hatte. Nur der Landfinger, der in Richtung Nerat zeigte, war in allen Einzelheiten erforscht. Hier befanden sich der Weyr und die Burg des Südens. Zu beiden Seiten dieses Orientierungsmerkmals erstreckten sich weite Landgebiete, im Westen begrenzt von einer großen Sandwüste, die eine riesige Bucht säumte. Im Osten sah man eine lange Küstenlinie, die plötzlich scharf nach Süden abknickte; an ihrer äußersten Kante war ein hoher, symmetrischer Bergkegel eingetragen, dazu eine kleine, mit einem Stern versehene Bucht.
»Soviel wissen wir bis jetzt über den Südkontinent«, sagte Sebell nach einer langen Pause, während der die beiden Weyrführer die Karte studierten. »Wie Sie sehen, ist es uns bisher nicht gelungen, die ganze Küste zu erforschen, geschweige das Landesinnere. In dieser Karte stecken drei Planetenumläufe harte Arbeit.«
»Wer war daran beteiligt?« erkundigte sich Lessa.
»Viele Leute, N’ton, Torics Pächter, auch ich – vor allem aber ein junger Harfner namens Piemur.«
»Der kleine Sänger!« rief Lessa überrascht. »Das also wurde seine neue Aufgabe nach dem Stimmbruch.«
»Wenn man die Skizze betrachtet«, sagte F’lar langsam, »so könnte man den Norden Perns fast in die Westhälfte der Südküste schieben.«
Sebell legte den linken Daumen auf den Vorsprung des Süd-Weyrs und die restliche Hand mit gespreizten Fingern auf den Westen. »Dieses Gebiet würde die Söhne der Burgherren leicht aufnehmen.« Er hörte, wie Lessa scharf durchatmete, und lächelte sie an. Dann bedeckte er mit der rechten Hand das Land im Osten. »Aber das hier ist nach Piemurs Worten der schönste Teil des Südens.«
»In der Nähe jenes Bergkegels?« wollte Lessa wissen.
»In der Nähe jenes Bergkegels!«
Piemur kam erst bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Wald, Dummkopf am Zügel und Farli auf der Schulter. Er legte Sharra ein großes, mit Lianen zusammengeflochtenes Bündel Obst vor die Füße.
»Da. Als Entschuldigung, weil ich euch heute im Stich gelassen habe.« Er kauerte sich nieder und grinste schuldbewußt. »Dummkopf war nicht der einzige, dem der Lärm hier zuviel wurde.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »So viele Leute auf einen Haufen habe ich das letztemal auf dem Singfest von Süd-Boll gesehen – und das liegt zwei Planetenumläufe zurück. Ich fürchtete schon, die würden nie mehr gehen. Kommen sie morgen noch einmal?«
Jaxom nickte lachend. »Mir ging es ähnlich, Piemur. Zum Glück bestand F’nor auf einem Jagdausflug. Den Rest des Nachmittags spannte ich Fischnetze aus.« Er deutete auf die Nachbarbucht.
»Komisch, wenn man plötzlich kein Gedränge mehr verträgt«, sagte Piemur langsam. »Ich hatte Angst, die würden mir die Luft zum Atmen wegnehmen. Und das ist echt albern.« Er warf einen Blick auf die dunklen Umrisse der Holz-und Werkzeugstapel, welche die Bucht säumten, und schüttelte den Kopf. »Dabei habe ich früher die Nase meist in den dicksten Trubel gesteckt…«
»Ich gebe zu, daß meine Nerven auch nicht mehr die besten sind«, meinte Sharra. »Vielen Dank für die Früchte, Piemur. Diese… diese Horde hat all unsere Vorräte aufgebraucht. Ein kleines Stück Wherbraten ist noch übrig und vielleicht eine Rippe vom Bock.«
Piemur seufzte erleichtert, als Sharra aufstand und ihm etwas zu essen holte. »Ich könnte Dummkopf fressen, wenn der Kerl nicht so zäh wäre!«
Jaxom und Piemur saßen am Strand, immer noch ein wenig erschöpft, als der junge Harfner plötzlich den Kopf hob und zum Himmel deutete. »Da sind sie wieder! Wenn ich nur ein Fernrohr hier hätte!«
»Wer ist wo?« Jaxom drehte sich träge herum. Er rechnete damit, erneut ein Rudel Drachenreiter auftauchen zu sehen.
»Die Tag-Schwestern. Hier heißen sie Dämmer-Schwestern, weil man sie nur morgens und abends sieht. Sie stehen auch viel höher am Himmel. Da – die drei ganz hellen Punkte! Ich habe sie oft als Leitsterne benutzt.«
Jaxom betrachtete die drei gleißenden Sterne und fragte sich verwundert, weshalb er sie nicht schon früher bemerkt hatte.
Piemur stach mit dem Zeigefinger mehrmals in Richtung des
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