Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
hier, Vater?« Die Frage meines Bruders Campen entsprang weniger seinem Mut als seinem schlichten Gemüt.
»Was hast du gesagt?«
Vater richtete sich auf wie ein Drache, der jeden Moment Feuer speit, und Campen zog sich ein paar Schritte zurück, um seiner Wut zu entgehen. Mich wunderte, daß Vater ihm keine Ohrfeige versetzte.
»Aber - aber - aber Capiam sagte, die Quarantäne…«
Vater hob den Kopf, so daß sein schönes Profil voll zur Geltung kam, und streckte die Arme abwehrend aus, obwohl ohnehin niemand gewagt hätte, ihm zu nahe zu kommen.
»Ich befinde mich von diesem Augenblick an ebenfalls in Quarantäne! Ich werde mich in meine Privatgemächer zurückziehen, und keiner von euch«, - er schien uns der Reihe nach mit seinem ausgestreckten Zeigefinger aufzuspießen -, »kommt in meine Nähe, bis«, - er machte eine theatralische Pause -, »die Inkubationszeit um ist und ich weiß, daß ich mich nicht angesteckt habe.«
»Was ist über die Seuche bekannt?« hörte ich mich fragen. Es war wichtig für uns, möglichst genau über den Verlauf der Krankheit Bescheid zu wissen.
»Wie groß ist die Ansteckungsgefahr?«
»Keine Sorge, ich werde meine Familie nicht in Gefahr bringen.«
Seine Miene troff vor Edelmut. Ich hätte ihm beinahe ins Gesicht gelacht.
Keiner wagte sich nach Mutter und unseren Schwestern zu erkundigen.
»Ihr werdet mir wichtige Mitteilungen unter der Tür durchschieben und das Essen im Korridor abstellen. Das ist im Moment alles.«
Damit winkte er uns beiseite und stürmte in die Burggemächer. Wir hörten seine schweren Stiefel auf den Fliesen knallen und die Treppe hinauf stampfen. Alle schwiegen. Ein unterdrücktes Schluchzen brach schließlich den Bann.
»Was ist mit Mutter?« fragte Mostar mit weit aufgerissenen Augen.
»Eine berechtigte Frage«, entgegnete ich. »Aber es hat keinen Sinn, wenn wir hier Wurzeln schlagen und dem Volk ein schönes Schauspiel bieten.« Ich deutete mit dem Kinn zur Straße hin, wo sich die Bewohner der Hütten versammelt hatten und gafften, zunächst angezogen von dem blauen Drachen und nun von unserem Gruppenbild auf der Burgtreppe.
Stumm zogen wir uns ins Innere der Burg zurück. Ich war nicht die einzige, die einen Blick auf die festverschlossene Tür im Erdgeschoß warf.
»Das ist nicht anständig«, begann Campen und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. Ich wußte, daß er Vaters viel zu frühe Rückkehr meinte.
»Mutter wüßte, wie man mit Krankheiten umgeht«, sagte Gallen, und in seinen Augen stand Furcht.
»Sie hat mir alles Nötige beigebracht«, entgegnete ich knapp.
Ich glaube, ich ahnte schon damals, daß Mutter nicht mehr heimkehren würde. Außerdem war es wichtig, daß die Familie nicht in Panik geriet oder ihre Besorgnis offen zeigte.
»Wir sind ein ziemlich zäher Schlag, Gallen. Das weißt du am besten. Du warst noch nie im Leben richtig krank.«
»Ich hatte das Fleckfieber.«
»Das hatten wir alle«, meinte Mostar spöttisch, und allmählich entspannten sich meine Geschwister.
»Dennoch - er hätte die Quarantäne nicht durchbrechen dürfen«, erklärte Theskin sehr nachdenklich. »Der Burgherr muß mit gutem Beispiel vorangehen. Weshalb hat Alessan ihn nicht auf Ruatha festgehalten?«
Darüber zerbrach ich mir auch den Kopf. Allerdings kann Vater so gebieterisch auftreten, daß selbst Barone, die mehr Einfluß besitzen als er, seinen Wünschen nachgeben. Ich weigerte mich aus irgendeinem Grund, Alessan Unfähigkeit zu unterstellen, auch wenn er sich Vaters Willen gebeugt hatte. Immerhin - eine Quarantäne blieb eine Quarantäne.
In dieser Nacht fiel ich rasch in einen erschöpften Schlaf, aber ich wachte sehr früh auf. Selbst das Gesinde schlief noch, als ich mich erhob, und so las ich als erste die Notiz, die Vater unter dem Türschlitz durchgeschoben hatte. Am liebsten hätte ich den Zettel zerrissen. Daß er einen Fiebermittel-Vorrat verlangte, war ebenso verständlich wie sein Wunsch nach dem guten Wein und einigen Delikatessen. Aber er befahl Campen, Anella und ›ihre Familie‹, wie er es ausdrückte, in die Sicherheit der Burg zu bringen. Während er also meine Mutter und meine Schwestern in der Gefahr von Ruatha zurückließ, forderte er von seinem ältesten Sohn und Erben, nicht nur seine Mätresse nach Fort zu holen, sondern auch die beiden Bastarde, die sie ihm geboren hatte.
Nun, es war kein echter Skandal. Mutter hatte über das Verhältnis stets hinweggesehen. In solchen Dingen besaß
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