Die Drachenreiter von Pern 09 - Drachendämmerung
Wandersterns vorgelegt. Der Planet war nach Jims Worten so unberechenbar wie eine betrunkene Hure am Samstagabend in einer Weltraumfabrik im Asteroidengürtel. Was zuerst wie ein vernünftiger, berechenbarer, elliptischer Orbit durch das Rubkat-System ausgesehen hatte, stellte sich als entschieden bizarrer heraus: Die Umlaufbahn verlief schräg zur Ekliptik. Der Planet würde alle zweihundertfünfzig Jahre in die Nähe von Pern gewackelt kommen. Ezra hatte allerdings einige Extrapolationen durchgeführt und war dabei zu einigen Kursabweichungen gelangt, die auf die Einwirkung anderer Planeten im System zurückzuführen waren. Es sah so aus, als würde der Wanderstern samt seiner Raumschrottwolke bei einigen Umläufen Pern verfehlen.
»Der ausgefallenste Planet, dessen Spur ich jemals verfolgt habe«, hatte Ezra bedauernd gesagt und sich den Kopf gekratzt, als er seinen Bericht zusammenfaßte.
»Natürlicher Orbit?« hatte Jim den Astronomen mit verschmitztem Grinsen gefragt.
Ezra hatte ihm einen langen, verächtlichen Blick zugeworfen. »An diesem Planeten ist überhaupt nichts natürlich.«
Obwohl die Fädeneinfälle sich in der gegenwärtigen dritten Runde um fünf Grad nach Norden verschoben hatten, hielt der Admiral Ezras Theorie, daß diese Einfälle bewußt gesteuert waren, daß eine vernunftbegabte Macht versuchte, die Bevölkerung von Pern zu zermürben, nicht mehr für sehr glaubhaft. Wenn das der Fall wäre, so seine Argumentation, dann müßten die Fäden jetzt noch häufiger und dichter fallen, weil der Planet die in bezug auf Pern nächstgelegene Position im Weltraum erreicht hatte. Aber sie fielen weiterhin ohne Sinn und Verstand und hielten sich an ein Schema, das genau der Verschiebung nach Norden entsprach.
Mathematische Berechnungen, von Boris Pahlevi und Dieter Clissmann mehr als einmal nachgeprüft, bestätigten Ezras bedrückende Schlußfolgerung. Der Wanderstern würde sich von Pern und aus dem inneren System nur entfernen, um in zweihundertfünfzig Jahren wiederzukommen.
Das Fax, das Bart nach Pern geschickt hatte, zeigte, daß die Schuttspur endlos lang war.
»Sie reicht bis zum Rand des Systems«, erklärte Ezra, die Waffen streckend. »Der Planet durchdringt die Oort'sche Wolke und zieht das Zeug mit. Im Rubkat-System bestätigt sich die Theorie von Hoyle und Wickramansingh.«
»Ist das nicht ein Glück?« fügte Jim hinzu. »Es ist immer noch möglich, daß der Schrott nur aus Eis und Gestein besteht. Wir können erst sicher sein, wenn wir sehen, was Bart Lemos da draußen zusammengeschaufelt hat.« Jim war keineswegs erfreut darüber, daß seine Theorie sich als richtig herausstellen sollte. Eine vernunftbegabte Intelligenz, die auf diesem exzentrischen Planeten irgendwie überleben konnte, wäre ihm fast lieber gewesen. Mit intelligenten Wesen konnte man im allgemeinen verhandeln. Seine Theorie machte es Pern sehr viel schwerer.
***
Im kalten Licht des frühen Morgens zog Paul sich schnell an, zwängte sich in die Stiefel und machte seinen Overall zu. Er kämmte sich das Haar ordentlich zurück und stolperte dann in die Dämmerung hinaus. Er nahm den Gleiter - das machte weniger Lärm, als wenn er im Laufschritt zum Turm hinunterkeuchte. Gewöhnlich achtete er darauf, sich an das zu halten, was er in puncto Energiesparen predigte, aber an diesem Morgen wollte er möglichst unbemerkt bleiben.
Die Math war schon seit mehreren Tagen überfällig, und diese Zeit war für ihn nicht leicht gewesen. Warten war nicht seine Stärke: er glänzte, wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen und für ihre Ausführung zu sorgen. Emily hatte wieder einmal bewiesen, daß sie sich selbst und ihre Untergebenen fest unter Kontrolle hatte. Sie war wirklich die beste Ergänzung zu seinen eigenen Vorzügen und Schwächen.
Am Irenplatz brannte Licht, und er erhaschte zwischen den Gebäuden einen flüchtigen Blick auf flatternde Schwingen. Die jungen Connells waren gerade dabei, ihre Drachen zu füttern. Auf dem nächsten Platz versorgte David Catarel seinen jungen Bronzefarbenen.
Bei dem Gedanken an diese jungen Leute, die sich mit ganzer Kraft für das Überleben auf Pern einsetzten, stieg plötzlich Zuversicht in Paul auf, und er war überzeugt, daß er und Emily sie alle durchbringen würden. Bei allem, was heilig war, sie würden es schaffen! Hatte er vor der Schlacht im Purpur-Sektor nicht schon schlimmere Zeiten durchgestanden? Und Emily war fünf Jahre lang von der Außenwelt abgeriegelt
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