Die Drachenreiter von Pern 09 - Drachendämmerung
Kublai Khan‹«, murmelte er mit seiner vollen, tiefen Stimme.
»›Höhlen unermeßlich weit‹?« ergänzte Sallah, vermied es aber, sich mit ihren literarischen Kenntnissen zu brüsten. Tarvi zitierte oft aus obskuren Sanskrit- und Pushtu-Texten, und dann war sie stets um eine passende Antwort verlegen.
»Genau, o du Mond meines Entzückens.«
Sallah hätte fast eine Grimasse geschnitten. Tarvi redete manchmal recht zweideutig daher, aber diesmal war sie sicher, daß er nicht meinte, was seine Worte andeuteten. So plump konnte er doch nicht sein. Oder hatte sie etwa endlich den Panzer seiner Ironie durchstoßen? Sie zwang sich, das gewaltige steinerne Bollwerk zu betrachten. Seine natürlich geriffelten Säulen sahen aus wie von einem unerfahrenen oder schlampig arbeitenden Bildhauer gemeißelt, doch diese Unvollkommenheit betonte eher noch den überwältigenden Gesamteindruck.
»Das Tal ist sechs oder sieben Kilometer lang«, sagte sie leise, von diesem Naturwunder aufrichtig begeistert.
Von der schroffen, senkrecht abfallenden Wand führten steile Klippen in ziemlich gerader Linie noch etwa drei Kilometer weiter und gingen dann in eine weniger scharf gezeichnete Felsfront über, die in der Ferne bis zum Talboden hin abfiel. Sie lenkte den Schlitten nach Steuerbord, so daß sie nun flußaufwärts blickten. Hier lag der von der Sonde endeckte See, seine Oberfläche glitzerte so stark im Sonnenlicht, daß sie fast geblendet wurden.
»Nein, landen Sie hier«, sagte Tarvi schnell und so ungeduldig, daß er sogar ihren Arm ergriff. Im allgemeinen vermied er jeden Körperkontakt, und Sallah mußte sich zusammennehmen, um seine Aufregung nicht mißzuverstehen.
»Ich muß die Höhlen sehen.«
Er löste die Sicherheitsgurte und schwenkte seinen Sitz herum. Dann ging er nach hinten und kramte in den Vorräten.
»Lichter, wir brauchen Lichter, Seile, Nahrungsmittel, Wasser, Aufzeichnungsgeräte und die Ausrüstung für die Probenentnahme«, murmelte er, während er flink und geschickt zwei Rucksäcke packte. »Stiefel? Haben Sie feste Stiefel an… o ja, die sind in Ordnung, wirklich. Sie sind immer auf alles vorbereitet, Sallah.« Sein strahlendes Lächeln verschlimmerte die unabsichtliche Kränkung noch.
Wieder einmal schüttelte Sallah den Kopf über sich selbst. Warum hatte sie sich ausgerechnet einen der abweisendsten Männer ihrer Bekanntschaft aussuchen müssen? Natürlich, tröstete sie sich, was leicht zu haben ist, lohnt sich selten. Sie setzte den Schlitten am Fuß der hoch aufragenden Wand ab, so dicht an dem langen, schmalen Höhleneingang wie nur möglich.
»Klettereisen, Greifhaken - die erste Platte überragt das Geröll um etwa fünf Meter. Hier, Sallah!«
Er reichte ihr den Rucksack und wartete gerade so lange, bis sie einen Riemen in der Hand hatte, dann öffnete er das Kanzeldach, sprang hinunter und schritt auf die Wand zu. Mit einem resignierten Achselzucken schaltete Sallah das Funkfeuer, das Funksprechgerät und das Aufzeichnungsgerät für eintreffende Nachrichten ein, knöpfte ihre Jacke zu, schwang sich den ziemlich schweren Rucksack auf den Rücken und folgte ihm, nachdem sie das Kanzeldach wieder geschlossen hatte.
Er kletterte die Geröllhalde hinauf, legte dann eine Hand flach gegen den Felsen und schaute verzückt an der gewaltigen Fläche hinauf. Sanft, fast zärtlich streichelte er den Stein, bevor er sich nach allen Seiten umsah, um den besten Weg zum Höhleneingang ausfindig zu machen. Als er sie kommen sah, lächelte er in kindlicher Freude. Daß sie zu allem bereit war, hielt er für selbstverständlich.
»Gerade nach oben. Mit den Klettereisen keine große Sache.« Der Anstieg war strapaziös. Sallah hätte gerne eine Pause eingelegt, als sie auf das Felssims kroch, aber da war der Höhleneingang, und nichts konnte Tarvi davon abhalten, sofort hineinzugehen und sich in Ruhe umzusehen. Nun ja, es war gerade dreizehn Uhr. Sie hatten genügend Zeit. Sie kam auf die Beine, löste ein paar Sekunden nach ihm die Handlampe von ihrem Gürtel und war an seiner Seite, als er in die Öffnung spähte.
»Bei allen großen und kleinen Göttern!«
Er flüsterte es nur, feierlich und voll Ehrfurcht, wie ein wisperndes Echo. Die erste gewaltige Höhle war größer als der Frachtraum der Yokohama. Dieser Vergleich kam Sallah sofort in den Sinn, weil sie sich erinnerte, wie unheimlich ihr dieser riesige leere Raum bei ihrem letzten Aufenthalt vorgekommen war, und in der nächsten Sekunde
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