Die Drachenreiter von Pern 15 - Drachenklänge
anzugreifen, geschweige denn sich mit einem kompletten Geschwader anzulegen.
Robinton fand, sie seien die schönsten Wesen, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Aufmerksam spähten sie zur Burg hinab, und ihre Facettenaugen funkelten im Glast der untergehenden Sonne. Er hatte gar nicht gewusst, wie viele Farbnuancen von »Bronze« es unter den Drachen gab.
» Cortath? Kilminth? Spakinth? « dachte er wagemutig.
Er erhielt keine Antwort. Nun ja, vielleicht befand sich keiner von den Drachen, die früher zu ihm gesprochen hatten, auf den Feuerhöhen. Aus dieser Entfernung vermochte er die einzelnen Tiere nicht zu erkennen. Möglicherweise unterhielten sie sich auch nicht mit kleinen Jungen, derweil sie ihre Königin bewachten.
Das abendliche Unterhaltungsprogramm war fast noch anspruchsvoller als das vorangegangene Bankett. Akrobaten traten auf, und ein Mann konnte verschiedene Dinge herbeizaubern und wieder verschwinden lassen – zum Beispiel holte er etwas hinter Raids Ohrmuscheln oder aus Maizellas Kleiderärmeln hervor. Aus seinem weiten Umhang zog er den kleinsten Hund der Welt, und unter der Kappe auf seinem Kopf kringelte sich eine winzige Tunnelschlange.
Als nach dieser turbulenten Einlage wieder Ruhe eingekehrt war, ließ Merelan eine Gruppe von Sängern und Musikanten auftreten. Robinton gehörte dazu. Das Lied von den Pflichten, eine der wichtigsten Lehrballaden, die auf jedem Stundenplan stand, sollte zu Ehren der Gäste gesungen werden.
An den Mienen der Weyrleute sah er, dass sie mit nichts anderem rechneten. Doch über die perfekte instrumentale Begleitung würden sie sich wundern, desgleichen über die Qualität der Solisten.
Robinton wartete darauf, dass seine Mutter ihm ein Zeichen gab und sang die erste Strophe. Ihm entging nicht der verblüffte Ausdruck auf S'loners Gesicht. Vor diesem speziellen Publikum legte Robinton all seine Emotionen in seine Stimme.
S'loner strahlte und klopfte mit den Fingern den Takt mit, als der Chor den Refrain losschmetterte: »Oh, preist die starken Drachenschwingen, die Mut und neue Hoffnung bringen.« Als nach dem Ende des Liedes ein donnernder Applaus ertönte, klatschte der Weyrführer am lautesten.
Danach trat Maizella ein paar Schritte vor. Robinton hörte das Geraune und Getuschel. Das Mädchen erfreute sich keiner großen Beliebtheit. Doch die Zuhörer wurden angenehm überrascht. Merelan hatte mit ihrer Ausbildung ganze Arbeit geleistet. Anstatt sich herausfordernd in Pose zu stellen, wie um anzudeuten: Jetzt singe ich, und wehe, ihr hört mir nicht zu!, nahm sie bescheiden ihren Platz neben Merelan ein, die sie auf der Gitarre begleitete.
Robinton entging nicht, wie die Weyrherrin Carola in einem Zeichen von Überdruss die Augen verdrehte, bis Maizella zu singen begann. Selbst S'loner betrachtete das Mädchen wohlwollend und flüsterte Maidir etwas zu, der lächelte und mit dem Kopf nickte.
Merelan stimmte in den Refrain des vierstrophigen Liedes ein. Die Vorstellung wurde ein voller Erfolg.
Nun kam der gesamte Chor wieder zum Einsatz, mit einem Stück, das neu war und dabei einen so mitreißenden Rhythmus besaß, dass bald die ganze Zuhörerschaft im Takt klatschte oder mit den Füßen stampfte.
Das Orchester spielte mit Schwung und Begeisterung. Viele Melodien waren neu, und Robinton hörte gelegentlich einen falschen Ton heraus. Aber er wusste, wie fleißig alle geprobt hatten, und es würde nicht mehr lange dauern, bis jede Note saß.
Als Nächstes kam er an die Reihe, nur begleitet von seiner Mutter. Auf ihren Wink hin eilte er an ihre Seite. In einer Hand hielt sie die Flöte, die andere ruhte leicht auf seiner Schulter, als sie ein paar einleitende Worte sprach.
»Dieses Lied ist sehr alt, und obwohl es zum Repertoire eines jeden Harfners gehören müsste, wurde es in letzter Zeit sträflich vernachlässigt. Selbst in der umfangreichen Bibliothek von Burg Benden konnte ich es nicht auftreiben, deshalb möchte ich es bei dieser Gelegenheit allen zu Gehör bringen.« Sie lächelte das Publikum an. »Aufgepasst, Kinder, in der nächsten Woche lernt ihr es auswendig, also hört jetzt gut zu.« Alsdann hob sie die Flöte an die Lippen und gab Robie das Zeichen zum Einsatz.
Still und einsam und verlassen, Echos hallen durch die Gassen, staubig, tot, verwaist und leer, denn den Weyr gibt's nicht mehr. Wo sind die Drachen nur geblieben? Wer hat die Reiter denn vertrieben? Die Herden streifen ziellos umher, es gibt keine Drachenhirten mehr.
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