Die Drachenschwestern (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
haben, ihren Arm aus seinem zu lösen. Jetzt fehlte ihr zwar definitiv das Gefühl seiner Nähe, doch wenigstens konnte sie wieder einigermaßen klar denken. Hoffte sie zumindest... Den Rest des Weges bombardierte Kaja Tim mit Fragen über seine Arbeit und die Ausstellung.
„Gnade!“, flehte Tim lachend, der es fast nicht geschafft hatte, alle Fragen zu beantworten. „Jetzt kannst du dir gleich selbst ein Bild von der Geisterbäreninsel und ihren Bewohnern machen. Wir sind da.“
Sie standen vor einem hohen Backsteingebäude.
„Ist das eine Galerie?“, wunderte sie sich.
„Hm, so ähnlich. Das Haus gehört zum zoologisch-botanischen Institut der Universität Bern. Ein ehemaliger Professor von mir ist ein Fan des Great-Bear-Regenwaldes, dieses Kanadischen Naturreservats, zu welchem auch die Geisterbäreninsel gehört. Ich pflege immer noch sporadisch Kontakt mit ihm und als ich ihm letztes Jahr erzählte, dass ich eine Forschungsreise dorthin plane, hat er mir diese Ausstellung organisiert. Aber jetzt komm, lass uns reingehen.“
Er führte sie durch eine große Eingangshalle, wo einige Leute vor einem Schalter Schlange standen, um Eintrittskarten zu erstehen.
„Damit müssen wir uns zum Glück nicht aufhalten“, meinte er mit einem jungenhaften Grinsen und zog sie am Ärmel Richtung Treppe. Übermütig sprang er in großen Sätzen, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die alte hölzerne Treppe hoch. Kaja bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten und beglückwünschte sich im Stillen zu ihrem regelmäßigen Lauftraining. So blieb es ihr wenigstens erspart, schnaufend wie ein Walross hinter Tim her zu rennen. Zwei Stockwerke weiter stieß sie keuchend hervor: „Sind wir denn nun bald da oder ist dieses Haus verhext? Diese Stufen wollen ja kein Ende nehmen!“
Tim lachte, meinte dann aber aufmunternd: „Nur noch zwei Etagen, dann haben wir’s geschafft.“
Ergeben nahm Kaja die Verfolgungsjagd von Tim wieder in Angriff, bis sie tatsächlich zuoberst unterm Dach angelangt waren.
„Hallo Tim. Das nenne ich aber eine Ehre, der Künstler persönlich.“
„Hallo Frank“, begrüßte er den Türsteher, der eben eine Gruppe lärmender Vierzehnjähriger abgefertigt und die Billetts kontrolliert hatte. „Ich möchte dir jemanden vorstellen.“
Er zog Kaja zu sich heran und legte ihr den Arm um die Taille. „Das ist meine Freundin Kaja. Sie will sich meine Arbeit ansehen. Können wir rein?“
Kaja hatte sich unwillkürlich versteift, als Tim sie als seine Freundin vorgestellt hatte. Andererseits was sollte er sonst sagen, beruhigte sie sich. Jede andere Erklärung würde zu lange dauern und auch zu weit führen. Oder stellte er etwa alle Frauen so vor, die er hierher mitbrachte? Resolut schob sie diesen störenden Gedanken weg und versuchte, sich zu entspannen. Freundlich lächelte sie den Türsteher an, während sie ihn unauffällig musterte. Frank war ein beleibter Mann mit rot leuchtenden Hängebacken und einem wirr nach allen Seiten abstehenden grauen Haarschopf. In seinen goldgrünen Augen blitzte es schalkhaft. „Soso, dann rein mit euch zwei und viel Spaß ihr beiden.“
„Vielen Dank, hat mich gefreut, Sie kennenzulernen“, antwortete Kaja höflich und folgte Tim durch die Tür.
Insgeheim dachte sie, dass Frank aussah, wie ein Bild von einem Leuchtturmwächter. In diesen erheiternden Gedanken vertieft, schenkte sie dem Raum erst gar keine Beachtung. Erst als sie mitten drin stand, blickte sie sich um und hielt erstaunt inne. Der Ausstellungsraum war riesig. Dunkle Holzbalken, die die hohen halb abgeschrägten Wände stützten, erinnerten daran, dass man sich im Dachgeschoss befand. Auf allen vier Seiten waren große Mansardenfenster, die die Nahmittagssonne ungehindert einließen. Da geeigneter Platz an den Wänden spärlich gesät war, hatte man große Stellwände aufgestellt, um Tims Werke ins beste Licht zu rücken.
„Kaja, kommst du?“
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit ihrem Begleiter zu, der gerade erst bemerkt hatte, dass sie ihm nicht weiter gefolgt war. Sie drehte sich lachend im Kreis.
„Dieser Raum ist wunderschön. Wie geschaffen für eine Ausstellung wie die deine.“
Sie deutete auf die Fotografien, die am nächsten hingen. „Die Bilder fügen sich harmonisch ein und bilden trotzdem einen deutlichen Kontrast zu der alten Bauweise des Gebäudes.“
„Danke. Ich bin auch sehr zufrieden.“ Belustigt musterte er ihre immer noch verwunderte Miene. „Was hattest du denn
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