Die Drachenschwestern (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
ganzen Heimfahrt gestern ergangen war. Sie hatte das Gefühl gehabt in einen Strudel von Ereignissen geraten zu sein, auf den sie absolut keinen Einfluss hatte. Kaja hatte es nicht geschafft, der Gedankenflut, die durch ihren Kopf raste, Einhalt zu gebieten. Selbst als sie ihre Heimfahrt unterbrochen hatte, um mit Zorro spazieren zu gehen, war es nicht besser geworden. Dabei war das sonst ein absolut zuverlässiges Mittel, um sie abzulenken und zu beruhigen. Sie runzelte deprimiert die Stirn. Gestern war eigentlich so ein erfolgreicher unterhaltsamer Tag gewesen. Doch sie hatte zu ihrem Unmut entdeckt, dass sie ganz und gar nicht immun war gegen die unerwartete Anziehungskraft, die von Tim ausging. Und das versetzte sie regelrecht in Panik. Besonders seit ihr bewusst geworden war, dass er ständig in der Weltgeschichte umher reiste. Wie ihre Eltern…
Sie verfolgte diesen Gedanken nicht weiter und schweifte ab zum restlichen Verlauf des letzten Abends. Endlich zu Hause angekommen hatte sie es sich mit einer Familienpackung Chips und einer Flasche Pinot Grigio bequem gemacht und wahllos irgendwelche Sendungen geschaut, nur um sich abzulenken. Kaja blickte sich in der Küche um und entdeckte die Weinflasche neben dem Herd. Himmel, hatte sie wirklich alleine so viel Wein getrunken? fragte sie sich, als sie den kümmerlichen Rest Wein in der Flasche betrachtete. Kein Wunder, dass sich ihr Kopf anfühlte, als würde eine Herde Büffel darin rumtrampeln.
Sie stand auf und wollte den übrig gebliebenen Wein, kaum mehr als ein halbes Glas, eben wegleeren, als hinter ihr ein Geräusch ertönte.
„Ts, ts“, tönte es spöttisch.
Langsam drehte sich Kaja um und meinte aufgebracht: „Du! Was willst du denn hier? Ich dachte, du wolltest erst morgen zurückkommen?“ Demonstrativ wandte sie sich ab.
„Ich freue mich auch dich zu sehen“, gab Lance in gleichbleibend spöttischen Tonfall zurück. Als Kaja keine Anstalten machte, ein Gespräch zu beginnen, seufzte er. „Die Angelegenheit ließ sich schneller klären als ich dachte.“
„Schön für dich und jetzt lass mich in Ruhe“, erwiderte Kaja unbeeindruckt.
„Hallo, was ist denn mit dir los? Die Sache geht ja vor allem dich etwas an, oder liege ich da falsch?“ Jetzt klang seine Stimme mehr als nur ein bisschen verärgert.
Sie unterbrach ihre intensive Musterung der Fensterscheiben und warf ihm einen Blick zu. Der Drache platzte fast vor Selbstbewusstsein. Es war offensichtlich, dass er Neuigkeiten mitgebracht hatte. Sein Pech, dass sie im Moment absolut nicht in Stimmung war, sich mit einem Drachen zu unterhalten. Schließlich hatte sie Wichtigeres zu tun, auch wenn ihr beim besten Willen nicht gleich einfallen wollte, was. Deshalb meinte sie nur patzig: „Schön dass du wieder da bist. Ich habe nur leider gerade keine Zeit für dich.“
Lance, der sich soeben den übrig gebliebenen Wein einverleiben wollte, hielt mitten in der Bewegung inne und setzte die Flasche wieder ab. „Was hast du denn so wichtiges zu tun? Ich dachte, der Sonntag sei euer Freizeittag oder wie auch immer ihr Menschen das nennt?“
„Ach, so dies und das“, antwortete sie ausweichend, in der Hoffnung, er werde nicht nachfragen. Was bei diesem starrsinnigen Drachen eine ziemlich vergebliche Hoffnung war. „Das klingt nicht besonders dringend“, entgegnete er prompt.
Da riss ihr endgültig der Geduldsfaden, welcher heute Morgen sowieso schon ziemlich dünn war. „Was geht dich das an. Wenn ich sage, ich habe keine Zeit, dann hast du das so zu akzeptieren!“, fauchte sie. Wütend stieß sie sich von der Küchenzeile ab und schlug sich prompt den Ellbogen an. „Autsch.“
Lance konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. „Das kommt davon, wenn man seinen Drachen nicht mit dem gebührenden Respekt behandelt“, kommentierte er ihr Jammern.
Als sie darauf nichts entgegnete sondern nur entschlossen in Richtung ihres Zimmers marschierte, rief er ihr hinterher: „Gut, wenn du den heutigen Tag lieber damit verbringen willst, dich in Selbstmitleid zu ertränken, bitte. Lass dich von mir nicht abhalten. Es bestünde sonst vielleicht noch die Gefahr, dass ich dich aufheitern könnte.“
Kaja würdigte ihn keines Blickes mehr und verschwand in ihrem Zimmer.
Lance machte es sich am Küchentisch gemütlich und setzte die Weinflasche an seine Schnauze, um den letzen Schluck lautstark hinunter zu schlürfen. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie sich eingekriegt hatte?
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