Die Drachenschwestern
gelöscht. Doch dann bemerkte
ich, dass nicht nur die Daten auf dem Rechner verschwunden waren, sondern, dass
zusätzlich mein USB-Stick fehlte. Frédéric hatte also nicht nur mein Projekt
geklaut, sondern auch noch alle meine Aufzeichnungen zerstört.“ Kaja holte tief
Luft und versuchte sich zu beruhigen.
Zum Glück gab’s hier draußen keine elektrischen Geräte, dachte Mémé.
Laut fragte sie: „Und was hast du dann gemacht? Ihn zur Rede gestellt?“
„Das ist es ja. Ich bin natürlich wutentbrannt ins Büro gestürmt und
hab das miese Schwein gesucht. Doch er war nicht dort und sein Schreibtisch sah
auch merkwürdig unbenutzt aus. Also fing ich erst mal an zu arbeiten, oder,
besser gesagt, so zu tun als ob, denn konzentrieren konnte ich mich beim besten
Willen nicht mehr. Irgendwann wurde ich zu unserem Abteilungsleiter zitiert,
welcher mir mitteilte, Herr Scherrer hatte auf eigenen Wusch das Team
gewechselt, da es für ihn unmöglich sei, weiterhin mit mir zusammen zu
arbeiten. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Mühsam brachte ich es zustande,
nachzufragen, was konkret denn das Problem gewesen sei. Die Frage war meinem
Abteilungsleiter sichtlich unangenehm. Unbehaglich wandte er sich auf seinem
Bürostuhl. Schließlich antwortete er, Frédéric hätte sich beschwert, ich würde
ihm nachstellen, würde ihm andauernd hinterher telefonieren und ihn privat
treffen wollen. Wenn es nur um ihn gegangen wäre, hätte er mit der Situation
schon umgehen können, habe Herr Scherrer erklärt, doch seine Frau würde sich
ebenso darüber aufregen. ‚In Ihrem beidseitigen Interesse hielten wir es daher
für besser, Ihr Team aufzulösen’, meinte er. ‚Ich? Ihm Nachstellen? Seine Frau?’
echote ich und versuchte verzweifelt, meine Gedanken zu ordnen.
Ich sage dir, Mémé“, Kaja trommelte aufgebracht mit den Fingern auf
die Tischplatte, „ich kam mir vor wie im falschen Film. Oder als wäre ich am
Tag vorher einfach falsch abgebogen auf meinem Weg in dieser Welt. Ich war
unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Unscharf nahm ich wahr, wie mein
Abteilungsleiter mir noch erklärte, welche Arbeiten in meiner Verantwortung
geblieben waren, doch ich hörte ihm nicht zu. Mechanisch verabschiedete ich
mich, holte die wichtigsten Sachen aus dem Büro und ging mit Zorro nach Hause.
Das alles ist gestern Morgen passiert. Ich bin direkt zu dir gefahren. Ich
wollte nur noch weg!“, schloss Kaja.
„Das ist ja furchtbar!“, meinte Mémé. Doch selbst sie, die selten um
Worte verlegen war, wusste nichts weiter darauf zu sagen. Die Geschichte war
einfach unfassbar.
„Wenn ich dir jetzt so die Geschichte erzähle, merke ich erst, dass es
wie eine Intrige klingt. Als ob das jemand, beziehungsweise Frédéric, von
langer Hand geplant hätte. Aber wie kann das sein? Wir kannten uns vorher ja
nicht!“
„Hm, auf jeden Fall kanntest du ihn nicht. Er war ja noch dazu von der
neuen Partnerfirma, soweit ich das richtig verstanden habe. Aber du hast recht,
grundsätzlich klingt es wirklich schon sehr nach Industriespionage oder so
ähnlich, auf jeden Fall. Andererseits kann es auch sein, dass er einfach nur
die Gelegenheit erkannt und ergriffen hat, als ihr euch kennen gelernt habt und
er gesehen hat, wie gut deine Arbeit ist.“
„Ja, das kann natürlich auch sein. Ich wüsste allerdings nicht, wie er
das so schnell hätte merken können. Na ja, egal, ich bleibe jetzt erst mal ein
paar Tage hier. Vielleicht fällt mir ja was ein, was ich jetzt machen sollte.“
„Ich werde auch darüber nachdenken“, meinte Mémé. „Am effizientesten
wäre wahrscheinlich eine Voodoo Puppe“, scherzte sie.
„Weißt du was, das ging mir auch schon durch den Kopf. Aber so richtig
schmerzhaft müsste es sein… Aber lassen wir das, ich muss mich jetzt fertig machen
für mein Treffen mit Tim. Ich will ja wenigstens einmal ein wenig annehmbar
aussehen“, sagte Kaja.
Hoppla, dachte Mémé, bahnte sich da etwa Interesse an Tim an? Umso
besser, Hauptsache, sie verbringt einen schönen Abend und wird von ihren Sorgen
abgelenkt, sinnierte sie weiter. Kaja stand auf, stellte die Teller aufeinander
und trug sie zusammen mit dem Kuchen ins Haus. Den Tee und die Tassen ließ sie
vorläufig draußen stehen.
Kapitel 7
Pünktlich um
fünf Uhr fuhr Tims Auto die Hofeinfahrt hinauf. Kaja hatte inzwischen geduscht
und sich umgezogen. Sie fuhr noch schnell mit der Bürste durch ihre dichten
dunklen Haare und warf einen letzten Blick in den Spiegel.
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