Die Drachenschwestern
Dach abgedeckt hatte. Dann war die Grenze des
finanziell Machbaren jeweils schnell erreicht. Kaja hatte sie immer nach
Kräften unterstützt, sich ihr Taschengeld selbst verdient. Sie hatte ihrer Großmutter
nach ihrer Ausbildung auch immer wieder Dinge mitgebracht, von denen sie
wusste, dass sie sie gut gebrauchen konnte oder sich wünschte, sich selber aber
nicht kaufte.
„Ja, das stimmt. Bei all den Bestellungen weiß ich zumindest jeweils
ein halbes Jahr im Voraus, was ungefähr zu tun ist. Aber was ich schon seit
längerem mit dir besprechen wollte: Diese ganze Sache mit den Geschenksets war
ja eigentlich deine Idee. Das erste Geschenkset hast du für mich gebastelt. In
der Werkstatt hat es dann ein Kunde entdeckt, worauf die Sache eine regelrechte
Eigendynamik entwickelt hat. Plötzlich erhielt ich Anrufe von allen Seiten, sie
würden gerne diese Sets und allenfalls auch Einzelstücke von mir in ihr
Sortiment aufnehmen. Deshalb habe ich von Anfang an jeweils zehn Prozent vom
Reingewinn auf dein altes Kinder-Sparkonto getan.“
„Was? Aber Mémé, das ist doch nicht nötig!“, rief Kaja aus. „Ich habe
doch das alle von dir gelernt und du hast die ganze Arbeit damit. Ich habe doch
gar nichts damit zu tun!“
„Doch, doch eben schon. Ohne dich wäre das alles gar nicht entstanden.
Das steht dir zu! Das lag mir schon lange am Herzen!“, beharrte Mémé.
„Ich hab doch
genug Geld, ich brauche es nicht“, sagte Kaja.
Josephine, die merkte, dass Kaja sich momentan nicht umstimmen ließ,
antwortete: „Machen wir es doch einfach so. Wir lassen das Konto einfach
bestehen, ich beteilige dich weiterhin mit zehn Prozent und falls du das Geld
brauchen solltest, ist es da. Sonst kannst du immer noch deinen Lebensabend
damit finanzieren“, scherzte die Großmutter, „was ich so über die Schweizer
Altersvorsorge höre, klingt ja nicht so optimistisch.“
„Okay, aber nur, wenn du mir versprichst, dass du ohne zu zögern davon
nimmst, falls du knapp bei Kasse bist“, wollte Kaja ihrer Großmutter das
Versprechen abnehmen.
„Ich glaube, du hast immer noch nicht verstanden, wie erfolgreich deine
Idee ist. Ich muss, wenn alles so weiter geht, wohl bald ein paar Leute
anstellen, die mir mit der Arbeit helfen.“
„Oh.“ Kaja
verstummte.
In dem Moment wurden sie von Zorros wütendem Gebell unterbrochen. Eben
hatte er noch friedlich nach Steinen im Wasser getaucht, als er wie vom wilden
Affen gebissen anfing, im Kreis durchs Wasser zu rennen. Josephine musste lachen.
Dem Drachen war es offenbar langweilig geworden, weshalb er angefangen hatte,
Zorro zu ärgern. Der Hund fiel natürlich prompt darauf rein und verfolgte ihn
mit großen Sätzen. Kaja versuchte, sich einen Reim auf Mémés
Heiterkeitsausbruch zu machen, als der Drache den Hund ans Ufer lockte, zu dem
Stein, auf dem die beiden Frauen nebeneinander saßen. Zorro hatte nur Augen für
den Drachen, welcher gekonnt zwischen den beiden hindurch schlüpfte. Josephine,
die das hatte kommen sehen, wich zur Seite aus, doch Kaja wurde von dem
stürmischen Fellbündel glatt überrannt und kippte kopfüber ins Wasser. Spuckend
und fluchend tauchte sie wieder auf.
„Geht’s eigentlich
noch, Zorro“, schimpfte sie, „hast du denn keine Augen im Kopf?“
Der Drache hatte sich in der Zwischenzeit buchstäblich in Luft
aufgelöst und Zorro bot, mit seinem nassen Pelz, den hängenden Ohren und der
unsicher wedelnden Rute ein solches Bild des Jammers, dass Kajas Ärger auf der
Stelle verflog. Sie fing an zu lachen und sagte: „Nur gut, dass Tim mich jetzt
nicht sieht. Ich mache meinem Spitznamen ja wieder einmal alle Ehre.“
Mémé saß immer noch auf dem Felsblock und japste vor lauter Lachen
nach Luft. Kaja spritzte sie nass und zog sich ans Trockene. „Los, lass uns
gehen“, meinte Mémé. „Zum Glück ist es heute so warm, du wirst dich sicherlich nicht
erkälten.“
Kapitel 6
Am Nachmittag
bürstete Kaja ihren nunmehr wieder trockenen Hund. Er fing schon wieder an zu
haaren. Ein sicheres Indiz dafür, dass wohl bald endgültig der Herbst anfangen
würde. Man musste ja für den kommenden Polarwinter gerüstet sein, schmunzelte
Kaja innerlich. Dagegen konnte man nichts machen, das war das Husky-Erbe in
seinem Blut. Schließlich war sie zufrieden und befreite Zorro mit einem
liebevollen Klaps von der Kämmprozedur. Erleichtert sprang er ein paar Schritte
weg, bevor er sich im Staub genüsslich wälzte.
„So, und jetzt noch schütteln“, rief Kaja.
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