Die Drachenschwestern
Was sie sah, gefiel
ihr heute sogar einigermaßen. Die hellbraunen Augen leuchteten unter ihrem
dunklen Pony. Sie hatte sich auch wirklich Mühe gegeben beim Schminken.
Zufrieden nahm sie ihre Jacke vom Stuhl und ging hinunter. Zorro hatte den
Neuankömmling schon entdeckt und sprang schwanzwedelnd an ihm hoch.
Sie ging zu den beiden hin und meinte fröhlich: „Wie ich sehe habt ihr
zwei schon Freundschaft geschlossen.“
Tim hatte sie gar nicht kommen hören und drehte sich beim Klang ihrer
Stimme um. Und wäre beinahe rückwärts über Zorro gestolpert. „Wow ... ich meine
... hey“, stotterte er.
„Was ist denn los?“, fragte Kaja verwundert.
„Nichts, gar nichts ist los, nur ... also ... ja ... du siehst toll
aus!“, erklärte er hastig, während sein Gesicht langsam eine dunklere Farbe
annahm.
Kaja musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Geschieht ihm recht, dachte
sie. Nur gut, wenn er merkt, dass ich nicht mehr der kleine Dreckspatz von
früher bin. Eigentlich ganz süss, wenn er rot wird, stellte sie amüsiert fest.
Ein wenig Make-up und die richtige Kleidung verfehlen ihre Wirkung aufs andere
Geschlecht selten.
„Danke“, nahm sie das Kompliment gelassen entgegen. „Du siehst auch
nicht schlecht aus.“ Wenn sie ehrlich war, wurde ihm diese Äusserung nicht
gerecht. Mit seinen bequemen Workerjeans, dem gestreiften Hemd und den alten
Timberlandschuhen bot er ein sehr ansprechendes Bild. Seine braunen, nicht ganz
kurz geschnittenen Haare hatte er sich nach hinten gekämmt, doch ein paar
Strähnen kringelten sich schon wieder und fielen ihm vorwitzig über die Stirn.
Kaja konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, sie ihm aus dem Gesicht zu
streichen. Was ist nur mit mir los, überlegte Kaja. Erstens habe ich definitiv
die Schnauze voll von Männern, mindestens für die nächsten dreihundert Jahre,
und zweitens ist das Tim, mein Blutsbruder aus Kindheitstagen, hallo, erinnerte
sie sich selber.
„Ich hoffe, es macht dir nichts aus, Zorro mitzunehmen“, sagte Kaja,
„es ist nur so, dass ich ohne ihn nirgends hingehe.“
„Dann habe ich ja keine Wahl“, scherzte Tim. „Los, komm mein Kleiner“,
meinte er zu Zorro und klappte den Sitz nach vorn, so dass der Hund auf die
kleine Ladefläche des Renaults springen konnte. Zorro kam der Aufforderung
freudig nach und nahm auf dem Rücksitz Platz.
Kurze Zeit später kamen sie bei Lucs Garage an. „Das finde ich so
schön an Luc und seiner Werkstatt. Auf ihn ist einfach Verlass. Egal, ob die
Welt Kopf steht oder sich alles ändert, hier sieht es immer gleich aus“, meinte
Kaja zufrieden.
„Ja, da hast du recht“, stimmte Tim ihr zu. „Obwohl, technisch ist er
ja immer auf dem neuesten Stand, das muss man ihm lassen.“
Zu dritt betraten sie das alte Gebäude durch die Werkstatt. Ihre Augen
mussten sich erst an das Dämmerlicht, das hier drin herrschte, gewöhnen, bis
sie Lucs Beine entdeckten, die unter einem Auto hervorragten. Wie er bei diesen
Lichtverhältnissen überhaupt arbeiten konnte, war Kaja schon immer schleierhaft
gewesen.
„Hey Luc, Besuch
für dich“, rief Tim.
Erst brummte es nur, dann schob der den Beinen zugehörige Mann sich
unter dem Auto hervor und erhob sich mühsam. „Ich werde langsam zu alt, um am
Boden rum zu kriechen“, schimpfte er, „aber meine Hebebühne zickt mal wieder
rum. Ach Kaja, schön dich wieder einmal zu sehen!“ Er nahm sie in seine
gewaltigen Arme und drückte sie so fest, dass sie beinahe keine Luft mehr bekam.
Dann hielt er sie eine Armlänge von sich weg und schaute ihr prüfend in
Gesicht. „Hm, wohl falsch abgebogen, Mädchen“, meinte er kryptisch, „na ja,
wenn es dich dafür wieder einmal hierher geführt hat, kann es nicht ganz falsch
sein.“ Er wandte sich ab und rief über die Schulter: „Kommt, ich hab’ frischen
Kaffee aufgebrüht.“
Ohne ein weiteres Wort, sicher, dass die beiden ihm folgen würden,
verschwand er in seinem vollgestopften Büro. Kaja trottete ihm perplex hinterher.
Hatte sie etwa ein Schild auf der Stirn?
Tim fragte: „Was meinte er wohl damit? Weißt du, wovon er spricht?“
„Mmh“, antwortete Kaja unbestimmt.
Luc goss ihnen Kaffee ein, original italienischen Espresso, der
verlockend duftete. Er war in diesen Dingen sehr eigen. Original italienischer
Kaffee, authentische amerikanische Motorräder, echter irischer Whiskey,
Schweizer Schokolade. Mist, dachte Kaja, diesmal habe ich gar keine Schokolade
für ihn dabei.
„Mir fällt gerade ein, ich
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