Die Drachenschwestern
Wie auf Befehl schüttelte
sich der Hund und legte sich dann in den Schatten, möglichst weit weg von
Frauchen. Sonst kam sie vielleicht noch auf die Idee, weiter zu bürsten.
Kaja packte den Hundestriegel und den Kamm in den Geräteschuppen.
Diese Utensilien blieben hier. Sie hatte sie extra gekauft, damit sie diese
nicht immer mitnehmen musste, wenn sie auf Besuch kam. Sie ging zu ihrer Großmutter
in den Gemüsegarten.
„Ich mache heute
Gemüselasagne, ist das okay?“, fragte Mémé, als sie Kaja erblickte.
„Mmh, ja gerne. Ich bin allerdings um Fünf mit Tim verabredet und es
ist gut möglich, dass ich erst spät wieder zurück bin. Ich wärme mir dann gerne
ein Stück auf.“
„Ja, prima“,
antwortete Mémé und wollte sich wieder dem Garten zuwenden.
„Ich wollte dich fragen, ob du Lust auf eine Tasse Tee hättest. Dann
könnten wir noch ein wenig Zeit mit Plaudern verbringen.“
Obwohl Kaja den Vorschlag in einem ganz beiläufigen Tonfall gemacht
hatte, war Mémé sofort klar, dass es Kaja wichtig war. „Ich komme gleich rein,
ich nehme nur noch schnell die Zutaten fürs Abendessen mit rein.“
„Super, ich setze dann schon mal Teewasser auf“, sagte Kaja und
verschwand in Richtung Haus.
Kaja hatte schon den Tisch in der Pergola gedeckt, als Mémé aus dem
Garten kam. Es gab Kuchen von gestern und erfrischenden Pfefferminztee mit
einem Spritzer Zitrone. „Ich wasche mir schnell die Hände“, sagte Mémé, ihre
erdigen Hände in die Höhe haltend, „dann bin ich gleich bei dir.“
„Nur keine Eile“, antwortete Kaja, die sich die Zeit mit einem Sudoku-Rätsel
vertrieb.
„So, da bin ich endlich!“ Mémé setzte sich zu Kaja und nahm einen großen
Schluck Tee. Eine Weile plauderten sie über belanglose Dinge, bis die Großmutter
schließlich konkret fragte: „Also, was ist denn nun los. Was hast du auf dem
Herzen?“
Kaja gab sich einen Ruck und begann zu erzählen: „Du weißt ja, dass
ich nach Abschluss meines Informatikstudiums zu dieser
Softwareentwicklungsfirma namens PC-Lux-Solutions gekommen bin und dort jetzt
seit drei Jahren arbeite. Die Firma gefiel mir lange gut, ich konnte immer mehr
im kreativen Webbereich arbeiten. Das hat mich gefreut, da ich das viel lieber
mache als stur vorgegebene Ideen anderer zu programmieren. Vor einem halben
Jahr wurde die Firma allerdings mit einem anderen Unternehmen, Qubus,
zusammengelegt. Da begann sich plötzlich, ziemlich schnell vieles zu
verändern.“
„Ach Kaja, sie
haben dir doch nicht etwa gekündigt?“, fragte Mémé erschrocken.
„Nein, nein“, beruhigte Kaja sie. „Obwohl, das kommt vielleicht noch“,
lachte sie mit einem bitteren Unterton. „Aber lass mich der Reihe nach
erzählen. Es veränderte sich vor allem unsere Arbeitskultur. Vorher lag der Fokus
auf den Resultaten unserer Arbeit, welche stets erstklassig zu sein hatte und
auch war. Dafür genossen wir Mitarbeiter auch sehr viele Freiheiten. Es
interessierte niemanden, wo und wann die Arbeitszeit geleistet wurde, wir
hatten Entspannungsräume und ein großes Mitspracherecht bei den Aufträgen.
Neuerdings hat man seine mindestens achteinhalb Stunden pro Tag, lieber jedoch
zehn – Überzeit natürlich unbezahlt, versteht sich – nach der Stechuhr zu leisten.
Es werden von oben unsinnige Deadlines gesetzt, die sich mit vernünftigen und
sicheren Testphasen, die jedes Produkt durchlaufen muss, nicht schaffen lassen
und täglich werden Änderungen diktiert, so dass oft die ganze Arbeit vom Vortag
für die Katz ist.“
„Das ist sicher eine sehr frustrierende Art und Weise zu arbeiten“,
meinte Mémé verständnisvoll. „Wie hast du das eigentlich mit Zorro gelöst? Ich weiß
noch, früher konntest du ja viel von zu Hause aus arbeiten.“
„Da habe ich mich durchgekämpft. Ich hab meinem alten Chef gesagt,
entweder ich kann den Hund mitnehmen und zwei Stunden Mittag machen, um mit dem
Hund raus zu gehen, oder ich würde gehen. Das Ultimatum hat auch gewirkt, wahrscheinlich
vor allem deshalb, weil ich praktisch für einen eigenen Bereich zuständig bin,
den auf die Schnelle niemand abdecken kann. Damit hat er wohl seinen neuen
Vorgesetzten aus dem ehemaligen Qubus-Lager überzeugt und sich ziemlich für
mich eingesetzt. Das rechne ich ihm auch hoch an. Nur wird mein Ultimatum wohl
kaum mehr lange Gewicht haben, nachdem wir jetzt so tolle neue Mitarbeiter
haben. Es soll ja jetzt jeder im Team arbeiten, haha, dass ich nicht lache!“
Kaja nahm einen Schluck Tee
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