Die Drachenschwestern
einigermaßen zuverlässig, danach löste sie sich
regelrecht in Einzelteile auf, was, so wie sie es verstanden hatte, vor allem
an den alljährlich wiederkehrenden Überschwemmungen lag. Misstrauisch beäugte
sie die schmale Straße, die mehr wie ein Trampelpfad wirkte. Sie traute sich
nicht, hier mit dem Auto durchzufahren. Bestimmt wäre im Nu die altersschwache
Achse des Autos gebrochen. Die hatte schon auf dem ganzen Weg so verdächtig
geächzt. Aus dem Geäst der nahestehenden Bäume erklangen die Schreie der Aras,
die sich wieder eingefunden hatten, als ihnen klar geworden war, dass keine
Gefahr drohte. Aber bevor sie nicht endlich Tim aufgestöbert hatte, fehlte ihr
die innere Ruhe, die ganzen Naturwunder zu genießen. Auch machte sie die
bevorstehende Regenzeit nervös, die in ein paar Tagen anfangen sollte.
Ich musste ja auch dringend hier her kommen, dachte sie genervt. Wahrscheinlich
wäre Tim so oder so in den nächsten Wochen nach Hause gekommen. Sie konnte sich
nicht vorstellen, wie er während der Überschwemmungen fotografieren sollte.
Entschlossen drehte sie sich wieder zu ihrem Auto um und holte ihren Rucksack
heraus. Kaja trank noch einen Schluss Wasser bevor sie auch diese verstaute und
ihr neu gekauftes Baseballcap aufsetzte, um sich vor der Sonne zu schützen.
Immerhin stand am Rande der Abzweigung ein verwittertes Schild schräg in der
Sonne und wies den Weg zur letzten Fazenda auf dieser Strecke, wo Tim
offensichtlich sein Hauptlager aufgeschlagen hatte. „Na, dann wollen wir mal.“ Entschlossen
wanderte sie los, schließlich hatte sie noch einige Kilometer vor sich.
Drei Stunden später war sie noch immer unterwegs und ziemlich schlecht
gelaunt. Auf der Fazenda, wo sie nach sechs Kilometern ermüdenden Fußmarschs
endlich angekommen war, hatte sie nur einen Einheimischen angetroffen, der ihr
völlig unverständliches Portugiesisch sprach, zumindest vermutete Kaja das. Sie
konnte ja sowieso nur die paar Brocken, die sie sich im Flugzeug beigebracht
hatte. Wenigstens hatte er verstanden, dass sie Tim suchte, den stillen
Fotografen, und er hatte ihr mit wenigen Kugelschreiberstrichen eine rudimentäre
Karte gezeichnet, wo sie Tim am ehesten finden würde. Was er allerdings nicht
eingezeichnet hatte, waren die kleinen Wasserläufe, die zugegebenermaßen jetzt
am Ende der Regenzeit nur mit wenig Wasser gefüllt waren, und die Wurzeln der
riesigen Bäume, denen sie immer wieder ausweichen musste. Vermutlich hatte er
das alles in seinem begleitenden Wortschwall erklärt. Sie hatte keinen blassen
Schimmer, ob sie sich überhaupt noch in der Nähe der auf dem kleinen Zettel
eingezeichneten Route befand.
„Tu einfach so als ob“, empfahl ihr unvermittelt der blau schimmernde
Drache, der vor ihr an einem Ast hing.
„Bist du jetzt unter die Affen gegangen? Und was machst du überhaupt
hier?“, wollte sie mürrisch wissen.
„Ich lasse doch
nicht zu, dass du im Sumpf verloren gehst“, entrüstete sich Lance.
„Dafür hast du dir
aber mächtig Zeit gelassen“, schnaubte sie empört.
„He, ich dachte, du
wolltest in Ruhe nachdenken.“
Sie seufzte. „Stimmt. Du hast Recht. Wir hätten uns sonst sicher nur
die ganze Zeit gekabbelt.“
„Eben“, bestätigte er ihr zufrieden. „So, und jetzt los, sonst geht
die Sonne noch unter.“ Sie folgte ihm durch die abwechslungsreiche Landschaft
und hoffte, ihr Drache wusste, wohin er sie führte.
So plötzlich wie er aufgetaucht war, war Lance verschwunden. Sie stand
auf einem kleinen, nur wenige Meter hohen Hügel und schaute auf eine kleine
Halbinsel hinunter, auf der eine Plattform, ähnlich einem Jagdausguck,
aufgestellt war. Sie Sonne schien schräg aufs Wasser und blendete sie ein
wenig. Jemand, hoffentlich Tim, schien am Ufer entlang zu kriechen und, ja was
eigentlich? zu machen. Neugierig und unsicher zugleich schlich sie ein wenig
näher, um die Situation besser erfassen zu können.
„Ja, so ist es gut, meine Schöne“, lachte er. „Gib’s ihm! Nein, nicht
abtauchen, dann erwische ich dich nicht mehr…“ Seine wohltönende Stimme klang
liebevoll und amüsiert zugleich. „Das ist prima, zeig mir deinen Bauch…“
Was fotografierte er denn da? überlegte sich Kaja und hoffte, dass sie
nicht den ganzen weiten Weg gekommen war, nur um herauszufinden, dass er sich
seine Zeit gerade mit Fotos von Miss-Brazil-2012 vertrieb. Sie blinzelte.
„Willst du etwas noch warten, bis du am Boden festgewachsen bist?“,
flüsterte Lance, der
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