Die Drachenschwestern
noch einmal aufgetaucht war, ihr leise zu. „Nun geh
schon“, forderte er sie auf und gab ihr einen kleinen Schubs, bevor er sich
wieder buchstäblich in Luft auflöste.
Zögernd ging sie den kleinen Hügel hinab. Ein Zweig knackste unter
ihrem Fuß. Gleich darauf platschte es im Wasser und Tim drehte sich irritiert
um. Sie erstarrte. Genau wie er.
Und wenn er sich
nun gar nicht freut mich zu sehen? schoss es ihr durch den Kopf.
„Kaja?“, fragte er ungläubig und langsam breitete sich ein breites
Grinsen in seinem Gesicht aus.
„Zumindest hieß ich noch so, als ich das letzte Mal in meinem Pass
nachgesehen habe“, versuchte sie ihre Verlegenheit zu überspielen und lächelte
ihn unsicher an.
Vorsichtig stellte er die Kamera ab und kam auf sie zu. Langsam und
dann immer schneller ging ihm Kaja entgegen, bis sie schließlich fast die
kleine Böschung hinunterflog und in seinen Armen landete. Endlich, dachte sie,
dieses Zuhause-Gefühl hat mir so gefehlt. Nachdem sie sich eine Minute gedrückt
hatten, hielt er sie ein Stück von sich weg. „Ich dachte schon, ich hätte es
unwiderruflich verbockt. Es tut mir so leid, Kaja!“
„Das hoffe ich doch!“ Sie versetzt ihm einen spielerischen
Nasenstüber. „Du kennst mich doch. Du wusstest doch, wovor ich am meisten Angst
habe. Das hat am meisten weh getan.“
Er schaute zur Seite. „Ich weiß. Deshalb tut es mir ja auch so leid.
Aber…“, er hielt einen Moment inne, „in dem Moment war meine grösste Angst,
dass du dich gar nicht mit mir getroffen hättest, wenn du gewusst hättest, dass
ich so bald wieder los muss.“
„Das hat ja prima geklappt“, meinte sie und konnte nicht verhindern,
dass ihre Stimme ein klein wenig sarkastisch klang.
„Aber ich hoffe, du bist nicht den ganzen weiten Weg gekommen, um mir
das zu bestätigen, oder“, fragte er hoffnungsvoll.
Wider Willen musste sie lachen. „Na ja, ich dachte, wir könnten ja mal
darüber sprechen, wie wir unsere verschiedenen Leben kompatibel gestalten
können.“
„Kompatibel gestalten“, er grinste sie an und strich mit den Lippen
über ihre Haare, „gefällt mir, der Ausdruck. Er schloss die Augen und lehnte
seine Stirn an ihre. „Du glaubst gar nicht, wie viel es mir bedeutet, dass du
gekommen bist.“ Und dann küsste er sie endlich.
„Willst du mir nicht deine Freunde vorstellen?“, fragte sie ihn eine
Weile später, als sie es endlich schafften, sich voneinander zu lösen.
„Hm, da muss ich erst
überlegen“, meinte er und musterte sie demonstrativ.
Sie blickte an sich hinab. Sie sah ziemlich staubig und mitgenommen
aus. Warnend sah sie ihn aus blitzenden Augen an. „Wenn ich jetzt das Wort
Dreckspatz höre, bin ich gleich wieder auf dem Heimweg.“
Um seine Mundwinkel zuckte es und schließlich brachen beide in ein
befreiendes Lachen aus. „Also dann, komm. Vielleicht haben sie sich ja von
ihrem Schreck erholt und tauchen nochmals auf.“
Zwei Tage später saßen sie ein letztes Mal in der Abendsonne am Ufer
und sahen der Riesenotterfamilie beim Spielen zu. Diesen hübschen und sehr
unterhaltsamen Tieren, welche ausschließlich in den Feuchtgebieten Südamerikas
vorkommen, galt bei dieser Reise Tims besondere Aufmerksamkeit.
„Dadurch, dass ihr Lebensraum in den letzten Jahrzehnten immer mehr
eingeschränkt wurde, gehören sie inzwischen zu den gefährdeten Tierarten. Sie
leben in Gruppen und sind sehr gesellig und verspielt. Wenn man sie einmal
ausfindig gemacht hat, was eher ein schwieriges Unterfangen ist, lassen sie
sich gut beobachten. Im Gegensatz zu den europäischen Ottern sind die
Riesenotter nämlich tagaktiv“, hatte Tim ihr am ersten Abend begeistert
erklärt. Ihm war es wichtig, mit seinen Fotoreportagen immer wieder auf die
schwindenden Wunder der Erde hinzuweisen und die Menschen dafür zu
sensibilisieren. Kaja war schon gespannt auf seine nächste Ausstellung.
Die letzten zwei Tage hatte es bereits mehrheitlich geregnet, was die
Riesenotter offensichtlich genossen. Am nächsten Tag würden Tim und sie gemeinsam
in die Schweiz zurück fliegen. Schweigend genossen sie das drollige Schauspiel
der Kleinen die sich mit ihren Tricks ständig zu überbieten versuchten. Fast
so, als wüssten sie, dass sie Publikum hatten. Unbemerkt von Tim setzte sich
Lance neben Kaja.
„Hallo mein
Drache.“
„Hallo Kaja.“ Eine
Weile schwiegen beide.
„Du möchtest
Lebewohl sagen“, vermutete Kaja schließlich.
„Ja. Das heißt,
nicht ganz. Ich werde sicher
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