Die Drachenschwestern
kam einfach
nicht wirklich weiter. Sie wusste zwar jetzt, dass es tatsächlich Frédéric
gewesen sein musste, der sich ihres Passworts bedient und das X3 in die
Produktion gestellt hatte. Allerdings nicht die Endversion, sondern eine der
frühen Testversionen. Ziemlich clever, das hätte sie ihm gar nicht zugetraut.
Da er damit gerechnet hatte, dass man ihn zur Lösung des Problems rufen würde
wenn sie nicht auffindbar war, hatte er so dafür gesorgt, dass er den Fehler im
Nu beheben konnte. Er musste ja nur die fehlerhafte Version durch die
Endversion ersetzen. Das erklärte auch den einen Anruf auf ihrem Mobiltelefon
mit der unbekannten Nummer. Es hatte sich herausgestellt, dass das die Nummer
seines neuen Arbeitsplatzes war. Thea sei Dank hatte sie das so schnell
herausgefunden. Nur das Motiv war ihr immer noch nicht klar. Ein persönlicher
Rachefeldzug konnte es nicht sein. So gut kannten sie sich gar nicht, dass
dieser riesen Aufwand gerechtfertigt gewesen wäre. Nein, beschloss sie zum
wiederholten Male, da musste mehr dahinter stecken.
Kapitel 12
Die nächsten
Tage verstrichen ereignislos. Der Drache ließ sie weitgehend in Ruhe und
unterhielt sie an den Abenden bei einem Glas Wein mit lustigen Geschichten.
Kaja wusste nicht so recht, wie viel sie davon für bare Münze nehmen konnte,
aber wen kümmerte das schon, wenn der Erzähler ein leibhaftiger Drache war. Das
war ja an und für sich schon absurd genug.
Am Donnerstagnachmittag erlebte sie allerdings zum ersten Mal, dass
sich auch Lance aus dem Konzept bringen ließ. Kaja hätte sich wohl königlich
amüsiert, wenn sie nicht selbst so erstaunt, um nicht zu sagen erschüttert
gewesen wäre.
Sie hatte früher aufgehört zu arbeiten, weil sie noch in der Stadt ein
Buch kaufen wollte. Es gab da ein kleines Antiquariat, das sie noch nicht
kannte und hoffte, dort das eine oder andere vergriffene Buch zu finden, das
sie schon seit längerem suchte. Zorro hatte sich wie üblich auf dem Rücksitz
zusammengerollt, während Lance ausnahmsweise auf dem Beifahrersitz saß.
Direkt bei der Buchhandlung gab es natürlich keine freien Parkplätze.
Auf der Suche nach einer Parklücke fuhr sie einmal um die angrenzenden Häuserblocks.
Es schien jedoch so, als hätte sie heute kein Glück. Verdrossen fuhr sie auf
die Kreuzung zu, die direkt vor der Buchhandlung lag. Von vorne kam eine blonde
Frau auf einem klapprigen Fahrrad. Kaja verlangsamte das Tempo ein wenig, um
der Fahrradfahrerin die Möglichkeit zum Ausweichen zu geben. Sie wollte eben
etwas zu Lance sagen, als sie merkte, dass die Person auf dem Fahrrad nicht
etwa ausgewichen war, sondern im Gegenteil mit weit aufgerissenen Augen direkt
auf sie zuhielt. Kaja versuchte im letzten Moment gleichzeitig auszuweichen und
zu bremsen und rammte beinahe ein geparktes Auto. Doch es war schon zu spät:
Mit einem heftigen Knall prallte das Fahrrad auf Kajas Kotflügel und die
Fahrerin stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden. Außer sich vor Angst stürzte
Kaja aus dem Auto und kniete neben der Unbekannten nieder. Aus einer Wunde beim
Haaransatz strömte eine erschreckend große Menge Blut.
„Hallo, können Sie
mich hören?“, fragte Kaja verzweifelt.
Warum kam denn bloß keiner? Sie könnte jetzt wirklich etwas Hilfe
gebrauchen. Die blonde Frau hatte die Augen geschlossen und bewegte sich nicht.
Mit fahrigen Händen versuchte Kaja, den Pulsschlag zu ertasten. Okay,
offensichtlich war keine Hilfe von Passanten zu erwarten. Sie atmete tief durch
und nahm sich zusammen. Schließlich hatte sie ja vor Urzeiten einen
Nothelferkurs besucht. Sie drängte die aufkommende Angst zurück und
konzentrierte sich darauf, mit einem ganzen Päckchen Papiertaschentüchern und
ihrem Halstuch, die Blutung am Kopf zu stoppen. Eben hatte sie den behelfsmäßigen
Druckverband am Kopf der Unbekannten befestigt, als die junge Frau unvermittelt
die Augen aufschlug. Ihr Blick war erst etwas unfokussiert und verwirrt, klärte
sich jedoch schnell.
„Wo tut es Ihnen überall weh?“, drängte Kaja sie zum Sprechen. Die
junge Frau musste etwa im gleichen Alter sein, stellte sie fest. Die Frau
richtete sich langsam auf, bewegte versuchsweise alle ihre Glieder und
antwortete: „Nur mein Kopf. Ansonsten habe mich wohl vor allem erschrocken. Die
Abschürfung hier ist nicht weiter schlimm.“
Eine Woge der Erleichterung überschwemmte Kaja, was jedoch gleich
darauf ihrem aufsteigenden Ärger Platz machen musste.
„Sag mal, bist du auf Drogen
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