Die Drachenschwestern
oder? Sonst wäre ich nämlich ernsthaft enttäuscht“, meinte er mit
dramatischer Stimme.
„Nein, aber ich schaffe es wieder einmal nicht,
pünktlich zu sein. Ich stehe hier im Stau und es geht gar nichts mehr. Und
nachdem ich soeben mein Autoradio zum Erliegen gebracht habe, wage ich nicht zu
hoffen, dass mein Handy viel länger überlebt. Ich glaub nämlich, ich werde mich
gleich noch mehr aufregen. Egal, ich komme einfach so schnell ich kann! Melde
mich bei dir, sobald ich beim Bahnhof bin. Tschüss!“
Ein wenig erschlagen von all den hervorsprudelnden Infos,
konnte Tim gerade noch ein „Kein Problem, warte hier auf dich“, hervorbringen,
dann hatte sie schon aufgehängt.
Erleichtert ließ Kaja ihr Handy auf den Beifahrersitz
fallen und entspannte sich. Sie kramte aus dem Chaos, welches das Handschuhfach
beherbergte, die CD von „Nightwish“ hervor und schob sie in den CD-Player. Gespannt
wartete sie auf das Einsetzen der Musik, begann mit den Fingern den Rhythmus
des ersten Liedes aufs Lenkrad zu trommeln und die Melodie zu summen. Schließlich
hielt sie inne. Was stimmte den jetzt wieder nicht? Ich habe ja vielleicht ein
Gedächtnis wie ein Sieb, nervte sie sich. Der ist ja vorhin kaputt gegangen.
Verärgert kurbelte sie das Fenster hinunter und atmete tief die kühle Herbst
Luft ein. Zorro war beim Geräusch des elektrischen Fensterhebers aufgesprungen
und zwängte jetzt seinen Kopf an Kajas Rückenlehne vorbei ins Freie.
„Das
genießt du, was?“, fragte Kaja und kraulte ihn im Nacken.
Endlich schien wieder ein wenig Bewegung in die endlose
Wagenkolonne zu kommen. Vielleicht würde sie es trotzdem noch heute nach Bern
schaffen.
Eine gute Dreiviertelstunde später parkte sie den Wagen
vor dem Bahnhof. Geschafft. Nur, dass sie jetzt müde, abgekämpft und schlecht drauf
war, statt wie geplant strahlend, fit und gut gelaunt. Da ließ sich jetzt auch
nichts daran ändern. Sie klappte den Autositz nach vorn, ließ Zorro
herausspringen und drehte sich mit ihrer Tasche in der Hand schwungvoll um. Und
prallte mit einer breiten Männerbrust zusammen.
„Was
zum Teufel…“
Sie versuchte zurück zu weichen, war aber zwischen der
Autotür und dem Unbekannten eingeklemmt. Wenn doch bloß die Sonne nicht so
blenden würde. Sie legte den Kopf in den Nacken, um besser sehen zu können und
verlor prompt das Gleichgewicht. Haltsuchend klammerte sie sich reflexartig an
der Jacke des Mannes fest.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du mir zur Begrüßung
gleich um den Hals fällst, hätte ich dich schon eher zwischen zwei Autos
eingeklemmt“, ertönte eine belustigt klingende Stimme.
„Tim“,
sagte sie erleichtert, „ich hatte gehofft, dass du das bist.“
Abrupt
ließ sie ihn los, als sie merkte, dass sie sich immer noch an ihn klammerte.
„Allerdings wäre ich genau in der richtigen Stimmung,
auf jemanden einzuprügeln!“, stellte sie fest. Ungnädig fragte sie: „Was solle
das überhaupt, ich habe dir doch erst vor kurzem gesagt, du sollst dich nicht
anschleichen.“
Sie
schubste ihn zur Seite und zwängte sich an ihm vorbei. Er hob abwehrend die
Hände.
„Ich habe dich gesehen, als du angekommen bist und
wollte sehen, ob du Hilfe brauchst.“ Misstrauisch beäugte sie ihn.
„Hilfe?
Wobei denn? Mein Auto einzuparken?“
„Wer weiß, was ihr Frauen immer so mit euch rumschleppt.
Ich wollte mich sozusagen als Träger anbieten.“ Er grinste sie entwaffnend an.
Kaja spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Sie
zwang sich, tief durchzuatmen und hoffte, ihre Wangen seinen nicht so rot, wie
sie sich anfühlten.
„Ich
dachte, wir fahren gleich weiter? Ich bin nur ausgestiegen, um dich zu suchen.“
„Wir treffen uns mit Simon in einem Café hier in der
Nähe. Ich habe ihn angerufen, nachdem du mir gesagt hast, du würdest im Stau
stehen. So müssen wir nicht erst zu seiner Wohnung fahren, das spart Zeit.“
„Oh,
okay, gute Idee.“
Sie war ein wenig verblüfft darüber, wie gut Tim alles
so flexibel neu organisiert hatte. Widerwillig musste sie sich eingestehen,
dass er sich offenbar wirklich Mühe gab, dass dieser Tag ein Erfolg werden
würde. Zu Tim sagte sie jedoch nur spitz: „Da ich ja offensichtlich ein hilfsbedürftiges
Frauchen bin, dass viel zu viel unnötigen Krimskrams mit sich herumschleppt,
darfst du gerne meine Tasche tragen.“
Ohne mit der Wimper zu zucken, schwang er sich die
Tasche über die Schulter, als würde er das täglich machen, mit einer
Damenhandtasche
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