Die Drachenschwestern
Ist er hier?“
„Das wollte ich dir eben mitteilen, bevor du mich mit deinem
Zauberbann belegt hast“, brummte er barsch.
Kaja warf ihm einen Blick zu, um herauszufinden, ob er
verärgert aussah. Der Ton seiner Stimme ließ definitiv darauf schließen. Sie
beschloss, seine verwirrende Bemerkung genauso zu ignorieren, wie den
unfreundlichen Tonfall und sämtliche irritierenden Gefühle, welche er
offensichtlich bei ihr auslöste. Sie hakte nach: „Und? Wo ist er denn?“
„Er sitzt dort drüben und spielt gerade noch eine Partie
Schach. Lass uns hinübergehen, damit er weiß, dass wir hier sind. Dann lässt er
sich vielleicht nicht ganz so viel Zeit, den anderen Schachmatt zu setzen.“
Kaja folgte ihm zwischen den Leuten hindurch und fragte
verwundert: „Wieso bist du so sicher, dass er gewinnen wird?“
„Weil ich nie jemanden kennen gelernt habe, der Simon schlagen
könnte. Aber warte nur ab, du wirst es gleich selbst sehen.“
Froh stellte sie fest, dass seine Stimme nicht mehr ganz
so brummig klang. Was immer es auch gewesen war, was ihn geärgert hatte, es
schien sich verflüchtigt zu haben.
Er begrüßte einen Mann mit dunklen, militärisch kurz
geschnittenen Haaren und markanten Gesichtszügen, die fast streng wirkten. Sie
schätzte ihn auf Mitte Dreißig.
„Hey Simon, wie geht’s?“
„Hey Tim, Hallo. Lass mich nur kurz diese Partie zu Ende
bringen, dann habe ich Zeit für euch.“
„Bitte, wegen uns musst du dich nicht beeilen“,
versicherte ihm Kaja hastig und stockte. Sie starrte in das durchdringlichste
stahlblaue Augenpaar, das sie je gesehen hatte. Er musterte sie und war
offenbar zufrieden mit dem, was er sah. Er nickte zustimmend zu niemand
bestimmtem, und wandte sich wieder dem Spiel zu.
„Wenn du mir deine Autoschlüssel gibst, parke ich in der
Zwischenzeit schnell dein Auto um, das steht ja noch in der Kurzparkzone des
Bahnhofs. Sonst wird das ein teurer Ausflug“, riss Tim sie brüsk aus ihren
Gedanken.
Dankbar übergab sie ihm ihre Autoschlüssel und sah ihm
nach, wie er sich einen Weg nach draußen bahnte. Was war nur mit Tim los?
Solche Stimmungsschwankungen kannte sie gar nicht von ihm, dafür war
normalerweise sie zuständig. Sie schüttelte ihre Überlegungen mit einem
Achselzucken ab und bückte sich, um herauszufinden, ob unter dem Tisch genug
Platz für Zorro vorhanden war. Theoretisch war genug Platz. Praktisch war
dieser Platz allerdings schon besetzt. Von einem wunderschönen Malinois, wie
die kurzhaarigen belgischen Schäferhunde hießen. Freundlich und dennoch wachsam
blickte dieser sie aus gelben Augen an.
Sie
streckte den Kopf über die Tischplatte und fragte: „Simon, ist das dein Hund?“
„Ja“,
kam die knappe Antwort des konzentrierten Spielers.
Kajas Kopf verschwand wieder unter dem Tisch und sie
wandte sich respektvoll dem großen Hund zu. Sie hielt ihm die Hand hin, damit
er daran schnuppern konnte. Inzwischen war auch Zorro neugierig geworden und
versuchte, sich unter den Tisch zu zwängen. Kaja erwischte ihn gerade noch am
Halsband und schob ihn zurück in die Ecke hinter einem freien Stuhl.
„Hier
ist zu wenig Platz um zu spielen. Du musst dich ein wenig gedulden.“
Der andere schien bis jetzt zwar ganz verträglich zu
sein, doch sie kannte ihn schließlich nicht. Und Zorro neigte sowieso dazu,
sein Begrüßungszeremoniell recht stürmisch zu gestalten. Kaja ließ eine Hand
auf dem Nacken ihres Hundes ruhen und wandte ihre Aufmerksamkeit Simon und dem
Spiel zu.
„Schachmatt“,
verkündete er gerade.
Ungläubig starrte Kaja auf das Brett. Sogar sie, die quasi
keine Spielpraxis besaß, konnte mühelos feststellen, dass seine Aussage den
Tatsachen entsprach.
Verblüfft fragte sie ihn: „Wie hast du das bloß geschafft,
in so kurzer Zeit? Ihr hattet doch gerade eben erst angefangen.“
„Reine Taktik“, lachte er. Wo vorher pure Konzentration
sein Gesicht beherrscht hatte und seine Züge recht streng aussehen ließ,
wirkten sie jetzt verspielt und weich, als er sich über seinen Sieg freute.
„Setz
dich doch“, meinte er und deutete auf den freigewordenen Platz.
Sie ließ sich auf den Stuhl sinken und wartete darauf,
dass er etwas sagte. „Du bist also Kaja“, stellte er fest und schaute sie
nochmals prüfend an. Langsam begann sein intensiver Blick sie nervös zu machen.
Als ihr das bewusst wurde, fragte sie ärgerlich: „Ist
mir seit heute Morgen eine Warze am Kinn gewachsen oder suchst du in meinem
Gesicht etwas
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