Die Drachenschwestern
sie den aufgeregten
Katzenbesitzer in einem viertelstündigen Gespräch hatte beruhigen müssen. Der
soll bloß froh sein, dass Zorros Husky-Erbe nicht noch mehr durchschlägt,
brummte sie, verstimmt über die Verzögerung, als sie den ersten Gang einlegte
und aus der Parklücke fuhr. Sonst wäre seine geliebte Katze jetzt nämlich mausetot.
Sie kicherte. Zorro spitzte aufmerksam die Ohren.
„Du weißt genau, dass es um dich geht, du kleiner
Racker. Ich sollte dir eigentlich die Ohren lang ziehen!“, sagte sie streng und
bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen.
Seine einzige Reaktion bestand darin, nach einer Fliege,
die sich im Auto verirrt hatte, zu schnappen. Als er die Aussichtslosigkeit
seines Unterfangens bemerkte, ließ er sich der Länge nach auf die Rückbank
fallen.
„Ich
sehe schon, du bist beeindruckt.“
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und sah gerade
noch, wie der Hund ihr unter hochgezogenen Augenbrauen einen amüsierten Blick
zu warf. Wider Willen musste sie lachen.
Eineinhalb Stunden später war Kaja guter Dinge. Der
Verkehr war, wie erwartet, nicht allzu schlimm und sie kam gut voran. Vor einer
Weile hatte sie an einer Autobahnraststätte kurz angehalten und einen Kaffee
zum Mitnehmen gekauft. Nach einem Blick auf die Uhr sah sie, dass sie gut in
der Zeit lag und ausnahmsweise sogar einmal pünktlich ankommen würde. Sie
verschob die Uhr an ihrem Handgelenk ein wenig, sie war zu weit nach vorn
gerutscht. Kaja liebte diese alte Uhr mit dem geschmeidigen, vom vielen Tragen
schon weich gewordenen Lederarmband über alles. Mémé hatte sie ihr geschenkt,
als sie ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hatte. Voller Freude hatte sie
damals den Fehler gemacht, ihren Eltern davon zu erzählen. Natürlich am
Telefon. Ihre Eltern waren schon immer viel zu beschäftigt gewesen, um ihrer
einzigen Tochter einen Besuch abzustatten. Auch wenn es sich um die
Abschlussfeier an der Uni handelte. Schließlich wäre sofort der Weltfrieden in
Gefahr, wenn Herr und Frau Diplomaten drei Tage abwesend sind, dachte Kaja
zynisch. Das hielt ihre Eltern, beziehungsweise ihre Mutter, jedoch in keiner
Weise davon ab, sich in ihr Leben einzumischen.
„Kaja“, hatte sie mit ihrer durchdringenden Stimme
gesagt, oder vielleicht umschrieb das Wort „befohlen“ die Realität besser,
„dieses Geschenk kannst du nicht annehmen. Du wirst es ihr bei der nächsten
Gelegenheit einfach zurückgeben!“
„Aber
warum denn?“, hatte Kaja verwirrt wissen wollen.
„Diese Uhr ist sehr wertvoll und gehört zur Erbmasse.
Bei Josephines Tod“, sie nannte ihre Mutter konsequent nur beim Vornamen, „geht
sie dann erst einmal an mich. Dann werde ich entscheiden, ob diese Uhr das
richtige ist für dich.“
„Aber Mémé ist doch noch fit und munter! Wie kannst du
da von solchen Dingen wie Erbmasse sprechen?!“, hatte Kaja verstört gefragt.
„Jetzt werde mal nicht gleich sentimental, tu einfach,
was ich dir sage“, war die unfreundliche Antwort ihrer Mutter gewesen.
Was
dann folgte, daran erinnerte sich Kaja nur zu gut.
„Nein“,
hatte sie erwidert und einfach aufgehängt.
Das war eines der ersten Male gewesen, dass sie sich
ihrer Mutter offen widersetzt hatte. Sie war heute noch froh, dass sie das
getan hatte. Mémés Freude darüber, dass ihr das Geschenk so gut gefiel, war
mehr als genug Entschädigung für den ganzen Ärger gewesen. Das Verhältnis zu
ihren Eltern hatte sich allerdings noch um eine paar Grad mehr abgekühlt, falls
das überhaupt möglich war. Kaja seufzte. Na ja, sie hatte vielleicht nicht
gerade Bilderbucheltern, dafür aber hatte sie Mémé. Sie strich nochmals
versonnen über das weiche Leder und richtete dann wieder ihre gesamte
Aufmerksamkeit auf die Straße.
Eine Stunde später war von Kajas guter Laune nicht mehr
viel übrig. Sie stand auf der Autobahn im Stau, 20 km vor Bern und in dieser
Minute war sie bereits zu spät für ihre Verabredung mit Tim. Verdammt! Sie
schlug gereizt mit der flachen Hand aufs Lenkrad, um ihrem Unmut Luft zu
machen. Sofort gab das Autoradio seinen Geist auf. Kaja wollte gleich nochmals
losfluchen, als sie sich eines besseren besann und hektisch in der Tasche nach
ihrem Handy fischte. Hoffentlich war wenigstens das noch funktionstüchtig, überlegte
sie besorgt. Puh, gerade nochmals Glück gehabt. Sie tippte Tims Nummer ein und
wartete.
„Tim?
Hallo? Gut dass ich dich erreiche!“
„Wieso, was ist denn los? Du rufst jetzt aber nicht an,
um abzusagen,
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