Die Drachenschwestern
Zufrieden packte sie ihre Alibiunterlagen
zusammen, ging zur Tür und schaute sich auf dem Gang vorsichtig um. Erleichtert,
dass tatsächlich niemand mehr zu sehen war, machte sie sich auf den Rückweg. Am
liebsten wäre sie gerannt vor lauter Anspannung. Doch sie nahm sich zusammen,
bis sie wieder draußen an der frischen Luft war. Lance wartete schon beim Auto.
Sie stürmte auf ihn zu, nahm ihn an den Händen und tanzte übermütig um ihn
herum.
„Wir
haben’s geschafft, wir haben’s geschafft!“, freute sie sich.
„Hm“, brummte er, „das stimmt schon. Nur, wenn dich
jetzt zu guter Letzt noch jemand sieht, wie du mitten in der Nacht wie
Rumpelstilzchen um deinen Wagen hüpfst und Selbstgespräche führst, fördert das deine
Karriere vermutlich auch nicht wirklich.“
„Spielverderber“, maulte sie, stieg aber, nun ein wenig
ruhiger, ins Auto und fuhr mit ihrem schillernden Begleiter neben sich nach
Hause.
Zorro begrüßte Kaja wie wild, während er für den Drachen
nur einen verächtlichen Blick übrig hatte.
„Ja
mein Kleiner, musstest du hier ganz alleine warten, du Armer!“
Sie ließ sich neben dem Hund am Boden nieder und begann,
ihn am Bauch zu kraulen. Zorro räkelte sich wohlig während Lance hinter Kajas
Rücken Grimassen schnitt.
„Lass
das, du großes Untier!“, schalt Kaja ihn.
Sie konnte seinen verdutzten Gesichtsausdruck im Rücken
spüren, genau so, wie sie vorher gemerkt hatte, wie er mit den Augen rollte. Kaja
ließ von Zorro ab und lächelte ihn herausfordernd an.
„Du kannst dein Riesenmaul wieder zuklappen, bevor ich
Angst vor deinen Reißzähnen kriege“, neckte sie ihn. „Was hast du denn gedacht,
was das für Auswirkungen haben würde, als du mir geraten hast, mich wieder mehr
auf meine Intuition zu verlassen?“
Insgeheim war sie allerdings ebenso überrascht wie
Lance, dass es gleich auf Anhieb so gut klappte. Na ja, zumindest bei Lance,
schränkte sie ihre Überlegungen ein.
Sie schnappte sich den Holunderschnaps von der Anrichte
und goss zwei großzügig bemessene Gläser ein. „Hier, Herr Drache, bitte schön,
ihr Lieblingsgetränk. Danke vielmals, dass du so gut aufgepasst hast. Du
scheinst dich ja doch noch als recht nützlich zu erweisen.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen nahm Lance das Glas
entgegen und beobachtete Kaja, die ihr Glas in einem Zug leerte. Stirnrunzelnd
betrachtete er seinen eigenen Schnaps und fragte sich, wie das kommen konnte,
dass er jetzt plötzlich als Bodyguard für seinen Schützling fungierte, anstatt
ihr zu helfen, ihre Bestimmung im Leben zu finden. Er musste allerdings
zugeben, dass er diese Umschreibung seiner Aufgabe schon immer reichlich
überzogen gefunden hatte. Wer glaubte heutzutage noch an Bestimmung? Schließlich
zuckte er mit den Achseln und stürzte den Schnaps hinunter. Lance drehte sich
zu Kaja um, während er ansetzte: „Ich mach mich dann wieder auf den Weg. Hallo,
was machst du da eigentlich?“ Kaja hatte eben das dritte Glas geleert und
wollte sich soeben ein viertes einschenken. „Sag mal, willst du dich auf
möglichst schnellem Weg sturzbetrunken machen?“
Lachend winkte sie ab. „Nein, nein. Ich bin nur ein
wenig überdreht und möchte ein bisschen feiern.“
„Ein
bisschen ist gut“, brummte er.
„Ich hoffe, du hast wie ich eine Drachennatur sonst
geht’s deinem Kopf morgen fürchterlich“, neckte er sie augenzwinkernd.
„Ach,
das hatte ich ja ganz vergessen!“
Entschlossen setzte sie das Glas ab und machte sich
sofort daran, ein Alka Seltzer im Wasser aufzulösen.
„Wieso, was ist denn morgen? Ich dachte nach eurer
seltsamen Zeitrechnung ist morgen Samstag und somit ein Ausschlaftag?“
„Ja das stimmt schon, aber ich habe mich morgen mit Tim
verabredet, und zwar in Bern, da, wo er wohnt. Das heißt, ich muss hier
ziemlich früh weg.“
In Gedanken schon bei dem Treffen morgen, ließ sie
abwesend ihren Blick durchs Wohnzimmer schweifen. Doch als Lance in ihr
Blickfeld kam, stutzte sie.
„Was
ist los, mächtiger Drache? Du schaust so grimmig.“
„Nichts ist los“, antwortete er verstimmt. „Es gefällt
mir nur nicht, dass du dich mit ihm triffst und ich nicht dabei bin, um auf dich
aufzupassen.“
„Was soll denn das nun wieder? Tim kenne ich schon mein
Leben lang. Da gibt es nichts, wovor du mich beschützen müsstest. Er ist wie
der große Bruder, denn ich nie hatte.“
„Großer
Bruder, ha, das ich nicht lache! So sah das mit dem Kuss aber nicht gerade
aus.“
Zu ihrem
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