Die drei ??? - 100 - Toteninsel
schwarzer Schnurrbart leicht vibrierte.
Auf dem Bildschirm wankte gerade ein Schauspieler in einem billigen, schleimigen Monsterkostüm stöhnend und mit ausgestreckten Armen auf die Blondine zu. Und nun setzte auch die gruselfilmtypische Musik ein. Hätte der Regisseur die nicht schon früher unterlegen können? Dann wäre Justus nie auf den Gedanken kommen, einen echten Schrei zu hören.
»Ermordet?« Tante Mathilda schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. Während sie nach dem Popcorn tastete, sagte sie tonlos: »Du hast einfach eine zu lebhafte Fantasie, Justus. Das kommt von deiner ständ igen Detektivspielerei. Ich wusste immer, dass das nicht ohne Spätfolgen...« Sie verstummte mitten im Satz. Das kreischende Opfer hatte die Flucht ergriffen und rannte durch einen finsteren Wald. Warum war sie nicht gleich abgehauen, anstatt eine halbe Ewigkeit kreischend auf der Stelle zu stehen? Tante Mathilda war das egal. Sie war so gefesselt, dass sie sich der Anwesenheit ihres Neffen gar nicht mehr bewusst war.
Nun war es an Justus, den Kopf zu schütteln. Mathilda Jonas und ihre Gruselfilme! Solange er denken konnte, hatte sich seine Tante keinen der alten Horrorklassiker im Fernsehen entgehen lassen. Das hatte den Vorteil gehabt, dass er sich als kleiner Junge oft neben das Sofa setzen und mitgucken konnte. Tante Mathilda hatte ihn nach fünf Minuten einfach vergessen und somit auch die Ermahnungen, ins Bett zu gehen. Und Justus lächelte. Manche Dinge änderten sich eben nie. Er trat auf das Sofa zu und wies auf die Schüssel. »Gezuckert?«
Tante Mathilda nickte abwesend.
Justus griff hinein und schob sich eine Hand voll Popcorn in den Mund. Angewidert verzog er das Gesicht. Gesalzen! Wenn er etwas hasste, dann war es gesalzenes Popcorn! Mühsam schluckte er es hinunter, warf seiner Tante einen missbilligenden Blick zu, den sie natürlich nicht bemerkte, und verließ das Wohnzimmer.
In der Küche fand er noch Reste des Mittagessens, schob sie in die Mikrowelle und machte sich anschließend hungrig darüber her. Wie so oft aß er auch diesmal nicht so viel, dass er satt wurde, sondern so viel, wie da war. Als er den Teller beiseite schob, betrachtete er sorgenvoll seinen unübersehbaren Bauch. Wieder einmal hatte der Hunger im ewigen Kampf gegen die Diät gewonnen. Besser, er vermied es in den nächsten Tagen, sich auf die Waage zu stellen.
Tante Mathilda und Onkel Titus kamen herein. »Na, ausgeschlafen?«, fragte Justus seinen Onkel grinsend. »Es gibt doch kein besseres Schlafmittel als einen Lieblingsfilm deiner Tante.«
»Ist die blonde Schöne gerettet worden?«
»Ja. Der Held hat das Ungeheuer zur Strecke gebracht.« Sie stellte die Popcornschüssel auf den Tisch und Justus griff automatisch zu, bis ihm in letzter Sekunde einfiel, dass er das Zeug ja gar nicht mochte.
»Haben wir eigentlich schon die Neuigkeit des Tages erzählt?«, fragte Onkel Titus.
»Ach ja!«, platzte Tante Mathilda heraus. »Patrick und Kenneth haben geschrieben!« Sie fischte eine Postkarte vom Küchentisch und reichte sie Justus. Eine Schafherde war zu sehen, die auf einer einsamen Straße inmitten einer saftiggrünen Hügellandschaft stand. Unverkennbar Irland. Patrick und Kenneth O'Ryan, die beiden irischen Brüder, hatten früher für Onkel Titus auf dem Schrottplatz gearbeitet, bis sie zurück in ihre Heimat gegangen waren. »Wir fahren nach Irland!« Tante Mathilda machte einen kleinen Luftsprung.
»Wirklich? Klappt es nun endlich? Ihr habt ja Monate gebraucht, um diese Reise zu planen!«
»Jetzt ist es endlich soweit. In einer Woche geht es los. Wir fliegen direkt nach Dublin. Dort holen sie uns vom Flughafen ab und dann fahren wir in ihre Heimat im Westen Irlands. Hach, zwei Wochen Europa! Ist das nicht romantisch, Titus? Ich freue mich so!«
Titus Jonas nickte lächelnd. Für Gefühlsausbrüche war Tante Mathilda zuständig. Er hielt sich meistens zurück.
»Und was heißt das für mich? Ich soll doch wohl hoffentlich nicht die halben Sommerferien lang den Schrottplatz alleine schmeißen?«
»Wieso denn alleine?«, gab Onkel Titus ungerührt zurück.
»Du hast doch deine Freunde Bob und Peter! Zu dritt schafft ihr das spielend.«
Justus blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen. Zwei Wochen lang das Geschäft allein führen! Und das in den Ferien!
»Veräppel den armen Jungen nicht ständig, Titus!«, sagte Tante Mathilda und gab ihrem Mann einen sanften Stoß zwischen die Rippen. »Keine
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