Die drei ??? Der namenlose Gegner
ich auch schon mal gehört!«, sagte der Junge ohne Namen. »Ich weiß nur nicht, wann und wo ich es gehört habe. Das ist alles so verrückt!«
»Also in den Filmen, die ich gesehen habe, kam die Erinnerung nach einiger Zeit wieder.« Sie sah ihn aufmunternd an. »Zum Beispiel nach einem Schlag auf den Kopf, einem Schock oder auch einfach so!«
»Einfach so wäre mir ehrlich gesagt am liebsten.« Er lächelte ge
quält.
»Kann ich verstehen!«
Er sah sie fragend an. »Und du kennst mich wirklich nicht? Nicht einmal vom Sehen? Vielleicht sind wir uns ja schon mal begegnet ...« Er musterte sein Gegenüber in der Hoffnung, auf verborgene Erinnerungen zu stoßen. Sie war vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt, älter auf keinen Fall. Das Mädchen war keine Schönheit im klassischen Sinne. Dafür hatte sie ein nettes Lächeln. Er mochte sie. Und doch kam sie ihm nicht im Geringsten vertraut vor. Ihre glatten schwarzen Haare, das Schlangentattoo auf ihrem rechten Unterarm, die kleine weiße Narbe auf der Oberlippe, die großen Ohrringe – nichts davon war bekannt. Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, wir sind uns bis heute nie begegnet«, bestätigte sie seine Vermutung. »Aber ich schätze mal, dass du ein Freund von Skinny oder Paul bist. Die beiden kommen später vorbei. Dann können wir die Sache aufklären.«
»Warum habt ihr mich nicht ins Krankenhaus gebracht?«, fragte der Junge ohne Namen.
»Mein Bruder Josh meinte, dass du das vielleicht nicht willst. Wir wussten ja nicht, ob du überhaupt krankenversichert bist. Und außerdem haben wir mal Ärger bekommen, als wir einen anderen Freund von Paul ins Krankenhaus gebracht haben. Er war irgendwie auf der Flucht vor der Polizei, und dann haben sie ihn dort auch gleich festgenommen.«
»Ich glaube nicht, dass ich auf der Flucht bin!«, meinte der Junge.
»Zur Sicherheit haben wir dich erst einmal hier zu meinem Wohnwagen gebracht. Dann haben wir Doc Perkins geholt. Er ist ein Bekannter von Paul und war uns noch etwas schuldig. Ich glaube, er ist eine Zeit lang Chirurg oder so etwas gewesen. Aber nachfragen sollte man bei ihm besser nicht! Jedenfalls hat er vorhin deine Wunden versorgt, und wenn es dir schlechter geht, können wir ihn noch mal herholen.«
»Nein, es geht schon. Ich denke, ich komme klar.« Der Junge sah an sich herunter. Er trug feste Schnürstiefel, staubige schwarze Lederhosen und ein nicht minder staubiges T-Shirt mit einer Aufschrift. Nichts davon kam ihm bekannt vor. »Hatte ich eine Tasche oder einen Rucksack dabei?«, fragte er. »Nein, wir haben nichts gefunden. Da war nur dein Fahrrad. Und das ist total kaputt.«
»Es muss doch irgendeinen Hinweis darauf geben, wer ich bin!«, sagte er ungläubig. »Irgendeinen Ausweis, einen Führerschein, ein Handy!« Er tastete seine Kleidung ab. Das war unangenehm, denn seine rechte Handfläche war aufgeschürft. Er biss die Zähne zusammen. Aus der Gesäßtasche seiner Hose zog er einen abgestempelten Gutschein aus einer mexikanischen Bar über ein Glas Tequila. In einer anderen Hosentasche befand sich ein bunter Zettel, der eine Band namens D eath Planet bewarb, sowie eine ziemlich zerbröselte Zigarette. »Ich rauche!«, sagte er fassungslos.
»Anscheinend«, bestätigte das Mädchen.
»Das passt nicht zu mir!«, erwiderte er leise. »Oder?« »Keine Ahnung. Aber du hast nicht nach Zigarettenrauch gerochen, als sie dich hierhergebracht haben.« Sie lächelte. »Bevor ich es auch noch vergesse: Ich bin Mina. Mina Parker.« »Mina Parker!«, sagte der Junge. »So wie die junge Frau aus dem Dracula-Roman!«
»Genau! Na ja, fast. Die hieß Harker mit Nachnamen. Meine Mutter hat gerne Gruselromane gelesen. Ich vermute, dass sie es wohl lustig fand, mich nach einem Charakter aus einem Buch zu benennen.« Sie lachte. Doch dann wurde sie wieder ernst. »Leider kann ich sie nicht danach fragen. Sie ist vor sechzehn Jahren gestorben. Ich habe nur noch meinen Bruder Josh.« »Das tut mir leid!«
»Manchmal hätte ich gerne die Chance gehabt, meine Mom besser kennenzulernen. Aber hey, dir geht es in diesem Punkt wohl gerade schlechter als mir. Du weißt nicht einmal, wer deine Eltern sind.«
»Wenn ich überhaupt noch welche habe!«, sagte er. Sein Blick glitt über die chaotische Einrichtung des großen Wohnwagens. »Komisch, dass ich mich an Dracula erinnere, aber nicht an meine eigene Mutter oder meinen Vater.«
»Ich hoffe, es kommt dir bald alles wieder ins Gedächtnis zurück.«
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