Die drei Die Spur des Spielers drei Fragezeichen
stellte das Brett neben sich aufs Sofa, als sei es seine Begleitung, als solle ich nicht nur ihm, sondern auch dem Schachbrett Kaffee anbieten. Und er saß die ganze Zeit auf der Sofakante, blickte auf die Uhr und wollte offenkundig gar nicht hier sein. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.‹«
»Das passt in etwa zu dem Bild, das zu der Zeit auch die Öffentlichkeit von Gregor Lansky hatte«, meinte Justus.»Ein gehetzter, leicht durchgeknallter Mann, der nur noch für die Meisterschaft des Schachspiels lebte.«
Ein paar Seiten weiter hatte Bob die nächste interessante Stelle ausgemacht: »›Ich bin mir nicht mehr sicher, was ich von Gregor halten soll. Neuerdings erzählt er mir, ich solle auf mich aufpassen. Darauf achten, ob ich vielleicht beobachtet werde. Und ihm dann sofort Bescheid sagen, aber dazu in eine Telefonzelle gehen. Ich habe ihn gefragt, wovon er eigentlich rede. Aber er weicht mir aus. Es sei besser, wenn ich nicht zu viel wisse, sagt er. Aber er wolle nicht, dass mir etwas passiere. Es tut weh, mir das einzugestehen, aber ich glaube wirklich und wahrhaftig, dass Gregor unter Wahnvorstellungen leidet. Er glaubt, er werde verfolgt. Andererseits … vielleicht wird er das tatsächlich. Er hat früher ein paar unglückliche Dinge in Interviews gesagt, über den Kommunismus und wie viel besser man sich in der Sowjetunion um den Schachsport kümmere. In letzter Zeit hält er sich zwar mit Äußerungen dieser Art zurück, aber er hat sich damit bestimmt keine Freunde gemacht. Und man hört so viele schlimme Dinge … Ist es also wahr? Wird er tatsächlich beschattet? Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.‹«
Peter seufzte. »Okay, das verstehe ich nicht. Wer soll den denn damals beschattet haben und warum? Und was hat das mit Kommunismus zu tun?«
»Der Kommunismus ist eine politische Idee«, erklärte Justus. »Und um dir jetzt die Details zu ersparen: Es ist die Ideologie, der die Politik der osteuropäischen Staaten unter Führung der Sowjetunion früher folgte.«
»Das weiß ich«, sagte Peter verärgert. »Die Kommunistensind die Bösen, richtig? Der Rest ist doch jetzt völlig uninteressant.«
Justus verdrehte die Augen. »›Die Bösen‹, Zweiter, ich bitte dich. Gut und Böse gibt’s in Grimms Märchen, aber nicht im echten Leben. Die Sowjetunion war jahrzehntelang der erklärte Erzfeind der Vereinigten Staaten, ja. Deshalb war es hierzulande früher nicht sehr ratsam, sich öffentlich positiv über den Kommunismus zu äußern. Genau genommen ist es das heute noch nicht. Aber früher wurden Kommunisten regelrecht verfolgt und als Landesverräter bestraft. Dass ein Mann wie Gregor Lansky für die Russen etwas übrighatte, kann ich mir allerdings gut vorstellen: Russische Schachspieler wurden in ihrem Land ähnlich wie Sportler stark gefördert. Sie waren echte Stars, während Schach in der westlichen Welt damals nicht sehr wichtig genommen wurde. Tatsächlich änderte sich das erst ein wenig mit Lansky selbst, weil er der erste Amerikaner war, der mit den russischen Weltklassespielern mithalten konnte. Plötzlich bot sich eine Chance, Russland beim ewigen Wettstreit zwischen Ost und West in einer weiteren Disziplin zu schlagen: dem Schach.«
»Und da war es natürlich doppelt blöd, wenn der einzige Mann, der das vielleicht herbeiführen konnte, auch noch öffentlich erklärte, dass er die Politik der Russen eigentlich ganz gut findet«, ergänzte Bob, bevor er sich wieder in die Lektüre des Tagebuchs vertiefte.
»Und jetzt kommt der mit Abstand spannendste Teil«, verkündete der dritte Detektiv kurz darauf und las den nächsten Auszug vor: »›Es gibt Tage, an denen so viel passiert, dass es für ein ganzes Jahr reicht. Ich weiß kaum, wo ich anfangensoll. Gregor ist schon wieder umgezogen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr. Er fühlte sich nicht mehr sicher in seiner alten Wohnung, sagte er. Aber als ich gestern bei ihm war, waren wir kaum zwei Minuten in seinem neuen Apartment, da schlug er schon einen Spaziergang vor. Sein verdammtes Schachbrett nahm er natürlich mit.
Sobald wir draußen waren, sprach er plötzlich im Flüsterton mit mir und drehte sich ständig um. Er werde vielleicht verfolgt. Und er sei nicht sicher, ob das neue Apartment nicht verwanzt sei. Die alte Leier, aber so schlimm wie nie zuvor. Es brach mir das Herz. Plötzlich brach alles aus mir heraus. Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, was ich über seinen Geisteszustand denke. Dass er Hilfe brauche. Aber er
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