Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
blickte ihr in die Augen und sah, wie sich seine eigene Angst darin widerspiegelte. Dann rutschte sie über den Rand.
Der Nebel, der aus dem Wasserfall emporstieg, verfing sich in seinen Federn und ließ sie schwer werden. Er bemühte sich, nicht zu sehr an Höhe zu verlieren. Weit unter ihm stand ein Fels aus dem Wasser hervor. Dorthin musste er es schaffen, andernfalls würde er mit großer Sicherheit ertrinken. Er sah, wie Grau und Krieg auf den Felsen zuschwammen und hoffte, sie würden ihn ebenfalls erreichen.
Er streckte seine Flügel ein bisschen weiter nach außen und merkte, dass es so viel leichter war, in der Luft zu bleiben. „Wer hat eigentlich behauptet, dass Hähne nicht fliegen können?“, dachte er, und im selben Moment traf ihn ein Windstoß und drückte ihn nach unten, Richtung Wasser. Er war völlig unvorbereitet und schaffte nur ein oder zwei Flügelschläge, bevor er auf dem Wasser aufschlug. Sofort wurde er von der starken Strömung nach unten gedrückt. Instinktiv hielt er den Atem an, doch ihm war klar, dass er in wenigen Sekunden ohnmächtig werden würde.
„Wo bist du?“, hörte er Grau in seinen Gedanken.
„Unter Wasser“, war das Einzige, was ihm in seiner Panik einfiel.
Einen Moment lang geschah nichts. Joshua geriet in eine andere Strömung und wurde zur Seite gedrückt, kopfüber drehte er sich immer wieder unter Wasser.
„Halt dich an mir fest“, hörte er Grau.
Aus einem Instinkt heraus krallte sich Joshua in das, was er für die Hinterbeine des Wolfes hielt. „Lass nicht los!“ Grau schwamm an die Oberfläche, doch kurz bevor sie an die Luft kamen, geriet Joshua erneut in eine starke Strömung und verlor seinen Halt. Zum Glück spülte sie ihn an die Wasseroberfläche, wo er kraftlos herumflatterte, während er verzweifelt versuchte, Luft in die Lunge zu bekommen.
Plötzlich packten ihn scharfe Zähne. Zuerst dachte er, eine der Hyänen hätte ihn erwischt, doch die Zähne zogen ihn sehr sanft aus dem Wasser, ohne ihm auch nur einen Kratzer zuzufügen. Grau trug Joshua auf die kleine Insel und legte ihn auf dem Steinboden nieder. Eine der Hyänen versuchte, ebenfalls auf den Felsen zu klettern, doch Krieg stand nur da und starrte sie an. Die Hyäne ließ schließlich los und wurde von der Strömung hinweggeschwemmt.
Der Wolf schüttelte sich und spritzte Wasser in alle Richtungen. Joshua war unfähig, sich zu bewegen, und so erschöpft wie noch nie in seinem Leben. Er konnte nicht einmal einen Flügel heben.
„Bist du verletzt?“, fragte das Pferd.
„Ich glaube nicht.“
„Du solltest versuchen, dein Gefieder auszuschütteln. Es könnte sonst über Nacht einfrieren.“
„Es ist noch nicht vorbei.“ Die Gedanken des Wolfs erreichten sie beide.
„Was meinst du damit?“, fragte Joshua.
„Wir müssen zum Ufer hinüberschwimmen. Das hier ist nur eine Insel und wir können nicht lange hier bleiben.“
„Wir sollten bis zum Morgen warten und dann hinüberschwimmen“, entgegnete Krieg.
„Das ist keine gute Idee“, wandte Grau ein. „Die Insel ist sehr flach und nah am Wasser. Wenn es zu regnen beginnt, könnte sie überflutet werden. Und wenn der Fluss anschwillt, ist die Strömung noch stärker.“
Joshua hob den Kopf und schüttelte ihn. „Ich glaube nicht, dass ich das schaffe. Können wir nicht einfach hierbleiben?“
„Ich kann dich auf den Rücken nehmen. Der Wolf hat recht. Wir können nicht hierbleiben.“
„Da ist noch etwas.“ Der Wolf ließ seinen Blick über den Wasserfall schweifen.
„Was?“ Joshua versuchte aufzustehen, setzte sich aber sofort wieder hin, als ihn eine Welle des Schwindels überkam.
„Das Höhlentor.“
„Höhlentor?“, fragte Joshua.
„Es wurde früher Die Große Tiefe genannt“, antwortete Krieg. „Viele Kriege wurden seinetwegen geführt. Es heißt, es birgt Schätze, die niemand erfassen kann. Niemand kam jemals von dort zurück außer den Adlern, und auch die schaffen es nur, weil sie die Aufwinde nutzen können.“
„Was ist es?“, fragte Joshua. Er hatte schon einmal davon gehört, von Vögeln oder Gänsen, die auf dem Bauernhof gelebt oder auf ihrem Weg nach Norden eine kleine Rast eingelegt hatten. Aber das waren nur Legenden gewesen. Ihnen zufolge war es ein von Dunkelheit umgebener Ort, wo nur Kreaturen lebten, die das Licht mieden. Das Höhlentor war eine Schlucht, deren Durchmesser achtzig Kilometer betrug und die alles verschluckte, was ihr nahe kam, selbst die Luft zum Atmen.
„Die
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