Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
zu folgen.“ Grau stand auf. „Es gibt keinen anderen Weg.“
Wie zuvor konnte sich Joshua der Logik nicht entziehen, die in den Worten des Wolfs lag.
„Wir brechen am Morgen auf“, dachte Krieg. „Ruht euch aus. Ihr werdet es brauchen.“
Den Rest des Tages verbrachte Joshua schlafend, ab und zu suchte er ein wenig Futter auf dem felsigen Boden. Der Lärm des Wasserfalls war ihr ständiger Begleiter. Manchmal war er beruhigend, manchmal eher verunsichernd. Jedes Mal, wenn er einschlief, träumte Joshua, er fiele endlos, bis er aufwachte, vor Angst und Kälte zitternd. Zweimal fragte er Krieg, ob sie nicht einfach sofort aufbrechen könnten, anstatt hier zu warten. Es gab kein Futter für den Wolf und er machte sich Sorgen, dass das eine Weile so bleiben könnte. Joshua würde immer etwas im Boden finden und ein bisschen Gras für Krieg gab es wahrscheinlich überall, aber der Wolf konnte nicht mehr als einige Tage ohne Futter überleben.
„Ich komm schon klar“, antwortete Grau seinen Gedanken. „Mach dir keine Sorgen um mich.“
Als sie einander ansahen, wurde Joshua zum ersten Mal klar, wie unterschiedlich sie waren. Unter normalen Umständen hätten sie absolut nichts gemeinsam, außer vielleicht, dass einer der Jäger wäre und der andere die Beute. Und doch waren sie hier, am Rande eines Abgrundes, mit nichts als dem anderen, auf den sie sich stützen konnten.
„Warum hast du mir geholfen?“, fragte er in die Stille hinein.
„Wovon sprichst du?“
„Als ich vor dem Fuchsloch stand, warum hast du mir geholfen?“
Der Wolf schwieg eine Weile. Alles, was Joshua in seinen Gedanken sehen konnte, waren flüchtige Bilder von Graus Gefährtin, wie sie beide durch die Eiswälder streiften.
„Ich kenne die Antwort nicht.“ Der Wolf sah ihn an. „Ich wusste nur, dass ich es tun muss. Die... Sehnsucht in dir war so stark und mächtig, dass ich dir helfen wollte, das zu finden, wonach du suchst. Vielleicht, damit auch ich finden kann, wonach ich suche.“
„Bis jetzt sind wir eigentlich ganz erfolgreich gewesen, oder nicht?“ Joshua war sich nicht ganz sicher, ob er das ernst meinte.
„Es könnte schlimmer sein“, antwortete der Wolf.
Beide lächelten in Gedanken. Und als die Nacht hereinbrach, dann die Dämmerung und schließlich der Morgen den Himmel tief orange färbte, waren sie bereit, ihre Reise fortzusetzen.
Kapitel 7 – Wind
Joshua saß auf Kriegs Rücken, als sie den leicht abschüssigen Pfad entlanggingen. Der glatte, granitähnliche Fels zu ihrer Rechten ragte steil nach oben und je weiter sie gingen, desto größer wurde der Abstand zwischen ihnen und dem oberen Ende der Klippe. Joshua stellte es sich vor wie eine große Spirale, die immer tiefer in eine unbekannte Welt führte, die er eigentlich gar nicht betreten wollte. Was, wenn sie unendlich lange laufen mussten? Es könnte Wochen dauern, bis sie ankamen, in denen sie sich immer weiter nach unten bewegten, ohne zu wissen, was sie dort erwartete. Je weiter sie gingen, desto mehr spürte er Kriegs Rastlosigkeit. Als ob das Pferd sich selbst zurückhalten müsste, um nicht in einen Trab zu fallen. Als Joshua sich einmal umsah, konnte er den Wasserfall in der Ferne sehen – am Ende eines leicht gekrümmten Pfades. Still lag er im Schatten. Die Sonne stand immer noch niedrig am Horizont und schien sie von der anderen Seite des Tals nicht erreichen zu können.
Während sie den Pfad entlangwanderten, konnte Joshua nicht anders, als darüber nachzugrübeln, warum er sich überhaupt auf diese Reise begeben hatte. Zweifel kamen in ihm auf – wie konnte er all das rechtfertigen? War es das alles wert? Was war es denn gewesen, das ihn dazu gebracht hatte loszugehen und seine Welt, seinen Platz, wo er hingehörte, hinter sich zu lassen? Allmählich kam er zu der Überzeugung, dass es wahrscheinlich nur ein Traum gewesen war, nichts weiter als die Grüblerei einer gelangweilten Existenz. Warum, um alles in der Welt, hatte er aus dem Pferch fliegen müssen? Es erschien ihm in diesem Augenblick vollkommen lächerlich und er spürte, wie er in eine tiefe Hoffnungslosigkeit abrutschte, die in der völligen Sinnlosigkeit dieser Reise ihren Ursprung fand.
„Da ist etwas vor uns.“ Kriegs Gedanken holten ihn zurück. In diesem Moment wurde Joshua klar, dass er nicht der Einzige war, dessen Gedanken von dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit beherrscht waren. Woher dieses Gefühl kam, konnte er nicht sagen, alles schien
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