Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
waren, konnte er sie nur zum Teil und unter Vorbehalten akzeptieren. Er konnte nicht glauben, dass sie jemals zu seiner einzigen Wahrheit werden würden. Das war einfach nicht möglich. Er war, wer er war, und er spürte, dass die anderen mehr in ihm sahen, doch er selbst konnte es nicht. In Krieg erkannte er Größe. Auch in Grau und sicher auch in Wind. Aber was auch immer da in ihm heranwuchs – es schien ihm sicherer zu sein, es in Ruhe zu lassen.
* * *
Zuerst nahm Joshua die umherwandernden Muster aus Licht und Schatten auf dem Boden gar nicht wahr. Dann sah er, wie sich die Spinnen auf der Außenseite bewegten und plötzlich nach unten verschwanden. Wie von einer unsichtbaren Macht dirigiert, ließen sie die Sicherheit der Zuflucht hinter sich, um in ihre Heimat tief unter der Erde zurückzukehren. Als die Spinnen die gläserne Wand verließen, gaben sie den Blick auf eine atemberaubende Landschaft frei. Im Norden schimmerte die Stadt der Lichtruinen durch die großen Pinien. Der Weg in die Stadt hinein, vorbei an den großen, eiförmigen Felsen und den Spinnenbäumen, erschien nun in einem ganz anderen Licht. Joshua verspürte keine Angst mehr – nur Verwunderung. Im Westen, weit hinter dem zurückgehenden Eis, ragte die Große Wand des Höhlentores weit in den Himmel hinein.
Joshua ging hinüber zur südlichen Wand der Kuppel. Als er sich der Glaswand näherte, bemerkte er erst, wie hoch oben das Turmzimmer wirklich war. Weit unter ihm schimmerte die Oberfläche des Tränensees in dunkelblauen und türkisfarbenen Schattierungen. In der Mitte verschwand das Wasser in einem riesigen, kreisrunden Krater. Joshua wurde schwindelig von der Höhe und der puren Kraft des Wassers, das in den Abgrund stürzte. Hinter den beiden Seen war das Eis weit an der Großen Wand emporgekrochen und das Sonnenlicht spiegelte sich in einer Vielzahl von Kristallen.
Plötzlich wusste Joshua, woher der Tränensee seinen Namen hatte. Es lag nicht an seiner tropfenähnlichen Form. Es lag an den Spinnen, die um die Ihren trauerten. Seit er sich ihres Schicksals bewusst war, verspürte er eine seltsame Verbindung zu ihnen. Er konnte sich nicht länger vor ihnen fürchten. Er begann zu verstehen, dass sie auf irgendeine Weise ein Teil des Ganzen waren, das die Welt um ihn herum umspannte.
„Joshua.“ Der Wolf erschien neben ihm. „Ich glaube, ich weiß, wohin wir gehen sollten. Ich weiß nur nicht, wie wir es finden können.“
„Ich hatte den gleichen Gedanken, Grau.“
Als sie sich umdrehten, sahen sie Wind und Krieg, die vor dem riesigen Fenster auf der anderen Seite des Turms winzig erschienen.
„Wind, du hast doch gesagt, das Himmelsvolk hat den Eingang zum Berg versiegelt?“
„Ja. Sie haben den Eingang versiegelt. Er ist vollkommen verhüllt und kann nicht gesehen werden. Nicht bei Tag, nicht im Mondlicht und nicht in den Stunden dazwischen. Er kann nicht gefunden werden.“
Als Joshua und Grau über den Steinboden gingen, der in blassen Farben gemustert war, spürte Joshua wieder die Spur der Erinnerung, die er nicht fassen konnte. Jedes Mal, wenn er glaubte, sie erwischt zu haben, entglitt sie ihm wieder.
„Seht euch um“, dachte er. „Könnt ihr irgendetwas Außergewöhnliches entdecken?“
„Hier gibt es nichts, Joshua“, antwortete Grau.
„Ich weiß. Aber es muss etwas geben. Ich kann mich nicht erinnern, was es ist. Ich übersehe irgendetwas.“ Joshua wandte sich um, spähte in alle Richtungen aus den Fenstern, sah in die Landschaft und weit in die Ferne hinein.
„Wind, in welcher Richtung liegt der versiegelte Eingang, den du erwähnt hast?“, fragte er.
„Im Westen. Die Minen sind westlich von hier“, antwortete sie.
Joshua trat an das große Glasfenster im Westen und sah hindurch. Er konzentrierte sich darauf, die Große Wand in der Ferne auf mögliche Unregelmäßigkeiten abzusuchen.
„Vielleicht müssen wir näher hingehen, um es zu sehen“, dachte Krieg zu ihnen.
„Oder vielleicht höher hinauf“, fügte Wind hinzu. „Vielleicht sollten wir hinfliegen und versuchen, es aus der Luft zu sehen.“
„Möglich. Aber ich glaube nicht, dass es das ist“, antwortete Joshua. „Grau, weißt du noch, wie wir die große Schildkröte getroffen haben? Ich bin mir sicher, dass es etwas war, was sie gesagt hat. Ich weiß nur nicht mehr, was es war.“
Joshua wich langsam zurück, während er aufmerksam durch das Glas starrte.
„Da ist nichts. Ich kann mich nicht
Weitere Kostenlose Bücher