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Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Titel: Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bolz
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versuchte, abwechselnd den Sprung im Glas und die Wand in der Ferne zu fokussieren. Nichts.
    „Ich kann nichts sehen“, dachte er.
    „Warte, Joshua“, wisperten Winds Gedanken, eine schwache Brise über tiefgrünen Feldern. „Warte und halt still.“
    Und als Joshua einen Moment lang nicht darüber nachdachte, ob er sich auf den Riss oder auf die Wand dahinter konzentrieren sollte, als sein Blick nichts besonderes fixierte, zeichnete sich plötzlich eine Gestalt auf der Großen Wand ab. Es schien, als käme sie auf ihn zu. Die dreidimensionale Kontur erinnerte ihn an den Kopf der Löwin, den er kurz zuvor gesehen hatte. Doch während dieser starr, detailliert und nach innen gekehrt gewesen war, sah dieser hier aus, als springe er direkt auf ihn zu. Joshua flatterte entsetzt auf und krähte so laut, dass es durch die ganze Kuppel hallte.
    Grau sprang vom Pferd herunter und Krieg stieg auf die Hinterbeine. Einen Moment lang durchfuhr jeden von ihnen das Entsetzen, wie eine Welle, die gegen Felsen schl ägt .
    „Was war das?“ Grau kämpfte gegen seinen Instinkt, der ihm befahl, in die entgegengesetzte Richtung loszurennen.
    „Ich habe nicht die geringste Ahnung“, gab Krieg zurück. „Aber was es auch immer war – ich glaube nicht, dass es uns in seiner Nähe haben will.“
    Als Joshua einen Blick zur Wand warf, sah sie wieder ganz normal aus. Es gab keine Anzeichen, wo gerade noch der Kopf der Löwin gewesen war.
    „Ich weiß, wohin wir gehen müssen.“ Joshua klang viel sicherer, als er tatsächlich war.
    „Wohin?“, fragte Grau.
    „Seht ihr den kleinen Wasserlauf direkt am unteren Ende der Wand?“ Joshua deutete mit seinen Augen in die Richtung, die er meinte.
    „Ich sehe ihn“, dachte Wind.
    „Dort müssen wir hin. Dort werden wir den Eingang und die Porte Des Lioness finden.“
    Vor dem riesigen Fenster wirkten die vier Gefährten winzig, als sie nebeneinander in der sonnendurchfluteten Halle standen und die weite Landschaft unter ihnen betrachteten. Langsam wurde Joshua klar, dass dies, so weit sie auch schon gekommen waren und wie viel sie auf ihrer Reise schon erlebt hatten, erst der Anfang gewesen war.

 
     
     
    Kapitel 14 – Dunkelheit
     
     
    Er erwachte tief im Eiswald, hoch oben in einem Baum, unter dem Mantel der Nacht. Seine kalten, toten Augen durchdrangen die Dunkelheit um ihn herum. Sein verwesender, von Krankheit zerfressener Körper verströmte den Gestank von Tod und Fäulnis. Kurz bevor er aufgewacht war, hatte er von einer großen Höhle geträumt, und von drei Federn, die auf einem schwarz polierten Stein inmitten eines Berges lagen. In seinem Traum hatte er den Hahn gesehen und gewusst, dass er nicht zulassen konnte, dass er fand was er suchte. Etwas wühlte tief in seinem Inneren und was immer es auch war, es brachte ihn weit genug ins Leben zurück, um dem Tod noch ein wenig länger zu entkommen.
    „Nähre dich von den Toten“, wisperte die Finsternis. „Und erschaffe mir ein Heer, das meiner würdig ist.“
    Er stieß sich von dem Ast ab und kreiste in der Luft. Seine riesigen Flügel umspannten mindestens zehn Meter, seine Krallen konnten einen ausgewachsenen Wolf umklammern und hoch hinauf in die Luft tragen, sodass er ihn im Flug verzehren konnte. Der Geier nahm Kurs auf das Höhlentor. Er flog schnell, nah an den Baumwipfeln und seine Schreie waren weit in den Wald hinein zu hören und erinnerten jedes Tier daran, wie schnell der Tod kommen und ihm sein kleines Leben entreißen konnte.
    Er flog zehn Tage und zehn Nächte lang und bei Anbruch des elften Tages erreichte er das Höhlentor aus südöstlicher Richtung. Von hoch oben sah er den Hahn und den Wolf in die Tiefe fallen. Er sah zu, wie das Kriegspferd und der Pegasus von dem einstürzenden Pfad flohen und wie das Himmelsvolk im Licht hinaufschwebte. Geblendet zog er sich zurück und beobachtete den Pegasus und das Pferd von einem Baumwipfel aus. Und als das Kriegspferd von der Klippe sprang, folgte er ihm. Als es im Tor der Zeit verschwand, wich er ihm nicht von der Seite, und dort, in der Dunkelheit des Tors, wo Vergangenheit und Zukunft bei ihm waren, sah er das Ende des Hahns klar vor sich. Er sah den Pegasus, der an Hunderten von dünnen Fäden über einem schwarzen Abgrund hing, er sah den Wolf kämpfen, um das Leben des Hahns zu retten, und er sah das Kriegspferd aus großer Höhe fallen, tief in den Berg hinein, gelähmt von den tiefen, eiternden Schnitten und Wunden, die er ihm mit seinen Krallen

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