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Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Titel: Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bolz
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sie sich dem Kind immer noch verbunden fühlte. Sie konnte sich nicht erinnern, was aus ihm geworden war. Sie wusste nur noch, dass die Kinder eines Tages, kurz nachdem Wind ihre Flügel bekommen hatte, mitgenommen wurden und tief im Berg in den Minen arbeiten mussten. Der Tag, an dem die Männer kamen, und Leannah aus den Stallungen holten, war in Winds Erinnerungen so klar und lebendig, als sei es erst gestern gewesen. Aber sie spürte auch, dass ein Teil ihres Gedächtnisses immer noch hinter einem Nebelschleier lag, unzugänglich für sie und Alda. Es waren Erinnerungen an eine dunkle Zeit, eine Zeit, die das Vergessen immer noch in seiner barmherzigen Umarmung hielt.
    Wind war froh über Aldas fröhlichere Erinnerungen und die Schildkröte teilte sie gerne mit ihr, denn sie gehörten ihnen beiden. So sehr waren sie in ihre Unterhaltung vertieft, dass Wind erst dachte, sie wäre über eine Wurzel oder einen Ast gestolpert, der auf dem Weg lag. Doch als es wieder passierte, sah sie an sich herunter und stellte fest, dass sich klebrige, dicke weiße Fäden um ihre Fesseln gewickelt hatten.
    „Was ist das?“, dachte sie zu Alda, die ein kleines Stück vor ihr ging. Die Schildkröte wandte sich um. Ihre Augen weiteten sich und instinktiv öffnete Wind ihre Flügel. Doch bevor sie sie ausbreiten konnte, waren sie ebenfalls bedeckt mit den klebrigen Fäden. Gleichzeitig wurden beide Vorderbeine unter ihr weggezogen und sie fiel zu Boden.
    Nun konnte sie sehen, was hinter ihr war. Hunderte von Spinnen kamen auf sie zu. Und aus den Löchern im Boden strömten immer noch mehr.
    „Ich dachte, die wären nicht gefährlich“, war Winds letzter klarer Gedanke, bevor sie – begleitet von Aldas anschwellender, missklingender Melodie – von den Spinnen in einen Kokon gewickelt wurde, aus dem es kein Entkommen gab. Sie kämpfte dagegen an, doch das zog das Spinnennetz nur enger um sie und machte es umso undurchdringlicher. Alda sah das Entsetzen in Winds Augen, als sie sie mitnahmen. Erst zogen sie sie über den Boden, dann trugen unzählige Spinnen sie auf eines der Löcher zu.
    Die Schildkröte drehte sich um. Unter enormer Anstrengung bewegte sie ihren Körper so schnell sie konnte auf das Loch zu, in dem der Pegasus verschwunden war. Doch sie war zu langsam. Die meisten Spinnen waren bereits verschwunden. Sie gingen so schnell wie sie gekommen waren, getrieben von einem einzigen, grauenerregenden Befehl. Als die Schildkröte Augenblicke später allein war, hörte sie die Schreie des Geiers, der nur wenige Schritte von Aldas Kopf entfernt landete und den Gestank von Tod und Fäulnis und Wahnsinn mit sich brachte. Die Federn waren schwarz und halb verwest. Eine schleimige Flüssigkeit tropfte aus dem Schnabel. Ein Auge war grau und blind, es blickte sie aus dem Jenseits heraus an und forderte ihre Aufmerksamkeit.
    „Ich hätte mich erinnern sollen“, dachte Alda. „Ich hätte mich erinnern können.“
    „Ja. Du hättest sie alle retten können. Dafür ist es jetzt zu spät. Wie schade!“ Der Geier legte den Kopf schief. „Du verfügst über alle Weisheit der Welt – und du hast es vergessen? Merk dir das: Im Inneren des Berges werde ich auf den Träumer warten, den roten Hahn. Wenn er nicht kommt, stirbt der Pegasus. Und ich werde mir Zeit damit lassen. Als Letztes werde ich sein Herz verspeisen und er wird in dem Bewusstsein sterben, dass er seine Bestimmung nicht erfüllt hat.“
    Als der Geier seine gewaltigen Flügel ausbreitete, um davonzufliegen, bemerkte Alda einen Schatten, der die niedrig stehende Sonne einen Moment lang verdeckte. Sie sah die Silhouette des Kriegspferdes, das von oben auf sie zukam. Der Geier sah es auch. Krieg landete und galoppierte auf die beiden zu. Als er sie fast erreicht hatte, hob der Geier ab und war mit wenigen, kräftigen Flügelschlägen hoch in der Luft. Seine hohlen, schaurigen Schreie w üteten in Kriegs Seele und erzählten ihm von seinem eigenen Tod. Krieg drehte sich um und galoppierte mit großen Sprüngen, dann hob er ab und gewann an Höhe und Schwung. Er flog eine Schleife, um sich der Kreatur zu stellen. Sie flog auf ihn zu, mit weit ausgebreiteten Flügeln und gespreizten Krallen, und fixierte ihn mit ihrem blinden Auge. Krieg hatte viele Kämpfe ausgetragen und meistens war er dem Feind direkt gegenübergestanden. Er wich nicht zurück.
    Sie trafen hoch über dem Boden aufeinander und obwohl Krieg größer war und seine Wut von dem Schmerz über das, was Wind

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