Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
sein würde. Zuerst kam es Joshua seltsam vor, dass das Pferd nicht sofort weiterziehen und dem Geier entgegentreten wollte. Aber dann verstand er. So sehr Krieg Wind auch wiedersehen wollte, er fürchtete den Zustand, in dem er sie finden würde. Es war eine aussichtslose Situation, und Joshua wünschte, er könnte etwas dagegen tun. Manchmal, dachte er, ist der Versuch, seine eigenen schlimmsten Alpträume zu umgehen, genauso entmutigend, wie ihnen entgegenzutreten.
Während ihrer kurzen Rast fing der Wolf ein paar Fische im Fluss, Krieg stärkte sich an einem Grasfleck und Joshua konnte seinen Hunger mit dem stillen, was er in dem weichen Boden fand. Als sie die alte Stadt durchquert hatten und sie hinter sich ließen, dachte Joshua, dass es die Landschaft hier unter normalen Umständen wohl wert wäre, sie näher zu erkunden. Er fragte sich, ob die riesigen Säulen wohl von Menschenhand geschaffen waren oder ob sie schon dort gewesen waren, bevor die Bergarbeiter hier angekommen waren, entstanden über unvorstellbare Zeiträume hinweg. Er dachte auch über das Licht nach und über dessen Ursprung. Wie waren die Hyänen wieder zum Leben erwacht? Und die Spinnen? Er hatte den Geier noch nicht persönlich gesehen, nur in wirren Bildern, die er von Krieg empfangen hatte. Auf etwas zuzugehen, das ohne Weiteres seinen eigenen Tod bedeuten konnte, erfüllte ihn nicht gerade mit Vorfreude.
Es war eine düstere Wanderung, die die drei Gefährten durch das Tal führte, an einer scheinbar endlosen Zahl von Säulen vorbei, die vom Boden weit hinauf zu einer unsichtbaren Decke aufragten. Die Lichtquelle fiel in der Ferne hinter ihnen zurück und während sie immer tiefer in die gewaltige Höhle vordrangen, stellte Joshua plötzlich fest, dass es bedeutend dunkler geworden war. Als sie schließlich einen kleinen Hügel erklommen und von oben aus in die Ferne blickten, schien es, als ob die Höhle vor ihnen das Licht vollkommen verschluckte. Nicht weit vor ihnen verschwand der Weg, auf dem sie sich befanden, in völliger Dunkelheit.
„Grau, wie weit kannst du in die Höhle hineinsehen?“, fragte Joshua.
„Nicht besonders weit“, gab Grau zurück.
„Das gefällt mir nicht“, dachte Joshua. Der Gedanke, nicht zu wissen, wohin sie der nächste Schritt führen würde, war unter gewöhnlichen Umständen schon angsteinflößend genug. Aber noch dazu mussten sie jederzeit einen Hinterhalt befürchten. Bevor Joshua sich ausmalen konnte, wie ihn Hunderte von glühenden Spinnenaugen aus der Finsternis anstarrten, schritt der Wolf ein und erinnerte ihn wieder einmal daran, sich nicht auf solche Gedanken einzulassen.
„Ich bin immer neben dir“, versicherten ihm die Gedanken des Wolfes.
„Und ich auf deiner anderen Seite“, fügte Krieg hinzu.
„Worauf warten wir dann noch?“, dachte er und sah zu ihnen hinauf. Der Wolf lächelte in Gedanken. Joshua machte einen zögernden Schritt nach vorne, dann noch einen und dann noch einen. Grau und Krieg folgten ihm und nahmen ihn in die Mitte, als sie den Hügel hinabstiegen und auf den Pfad zurückkehrten. Hätte sie jemand beobachtet, er hätte geglaubt, sie wären einfach in der Dunkelheit verschwunden.
Kapitel 20 – Erwachen
Er schlief tief und fest und im Schlaf schuf er Welten und Zwischenwelten und er drang tief in sie ein und verlor sich in ihnen. Er schlief jahrhundertelang und wob Träume, die sich in alle Richtungen verflochten. Er begleitete sie an Orte tiefster Finsternis und hellsten Sonnenlichts. Er fühlte, wie der Wind der Prärie ihn erfasste und er flog hoch über das Land und streckte sich zu den Sternen und darüber hinaus. Er segelte auf Sonnenwinden durch die Leere des Alls. Er sah ganze Zivilisationen kommen und gehen, sich wieder aufbauen, nur um erneut zerstört zu werden. Er sah die Höhepunkte der Schöpfung und er fühlte tiefste Verzweiflung unter den Menschen, genauso wie vollkommenen Frieden. Er war frei und je länger er schlief, desto weiter führten ihn seine Träume. Und er sah Orte, so uralt, dass sie schon vor der Zeit existiert hatten, und er erhaschte kurze Blicke auf die Zukunft, die noch nicht da war, aber bald in die Welt kommen würde. Dann erwachte er.
Als Erstes wurde er sich seines innersten Kerns bewusst. Er spürte, wie sein Herz gegen seine gewaltige Brust schlug. Es pumpte sein Blut durch silbrige Adern – Blut von der Farbe tiefsten Blaus. Ein Tropfen davon konnte jede Lebensform im Umkreis von hundert
Weitere Kostenlose Bücher