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Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)

Titel: Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bolz
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war.
    Und er wusste, dass sie am Leben war. Dass das Gift des Geiers ihren Herzschlag nur verlangsamt hatte, sodass sie tot zu sein schien, dass sie aber immer noch da war, schwach zwar und nicht mehr besonders lange, aber immer noch am Leben. Er hielt sich an diesem Gedanken fest. Als er so am Boden lag, mit Tausenden Fäden gefesselt, eng an den Felsen gepresst, durchfuhr ihn die Kraft wie eine Welle. Er nahm sich vor, sie in sich anschwellen zu lassen bis er sie nicht mehr zurückhalten konnte, und dann sich selbst und den Pegasus zu befreien. Seine Wut würde grenzenlos sein.
    In diesem Moment landete der Geier vor ihm. Und als er ihm in die Augen sah, konnte er sich dem Bild seines eigenen Todes und seinen in Trümmern liegenden Hoffnungen nicht entziehen. Und obwohl er spüren konnte, dass das Leben langsam aus dem Pegasus entwich, konnte er nicht die Kraft aufbringen, sich dem Blick des Geiers zu widersetzen, der ihm unmissverständlich seinen Tod vorführte. Aber das war es nicht, wovor er Angst hatte. Es gab nur eines, das er wirklich fürchtete. Und als er diesen Gedanken in seiner Seele zuließ, wusste er, dass er es nicht mehr rückgängig machen konnte. Er wusste, dass der Geier diesen Gedanken in ihm sehen konnte. Er würde ihn nicht töten. Er würde ihn hier zurücklassen, lebendig, in der Finsternis. Aber er würde ihm seine Träume nehmen und sie durch Alpträume ersetzen, die bis in alle Ewigkeit andauern würden.

 
     
     
    Kapitel 21 – Die Lange Finsternis
     
     
    Die Nacht kam leise. Sie brach langsam über Joshua und die anderen herein, während sie dem Weg in die Finsternis der Höhle folgten. Am Anfang konnten sie die Landschaft um sich herum noch erkennen. Aber bald gab es nur noch Schatten in Schatten. Und dann, von einem Moment auf den anderen, war alles dunkel. Der Wolf war der Einzige, der den schwachen Schein des Weges vor ihnen noch erkennen konnte. Joshua und Krieg waren blind, umhüllt von der Finsternis, die so vollkommen war, dass Joshua seine Augen schloss, da es sowieso keinen Unterschied machte, ob sie offen waren oder nicht. Er spürte die kühle Luft um sich herum und die Wärme, die Kriegs Körper unter ihm ausstrahlte. Er hörte die Hufe des Pferdes auf dem Boden und das langsame Traben des Wolfs, aber der Klang schien sich irgendwo in der unermesslichen Weite der Höhle aufzulösen.
    Joshua war froh über seine Entscheidung, auf Kriegs Rücken zu flattern, als es noch hell genug gewesen war. Jetzt wäre es unmöglich gewesen. Kriegs warmen Körper unter seinen Krallen zu spüren, tröstete ihn zunächst, doch dann begann sich die Nervosität des Pferdes auf ihn zu übertragen. Nicht sehen zu können, war etwas, das Krieg immer gefürchtet hatte, und Joshua empfing von ihm Bilder tiefer Felsspalten, in die sie ohne Vorwarnung hineinfallen konnten. Joshua begann, sich selbst unbehaglich zu fühlen. Grau versuchte, sie davon zu überzeugen, dass er den Weg vor ihnen sehen konnte, selbst wenn es nur ein blasser Schimmer war. Aber etwas zu hören und es selbst zu erleben, waren zwei völlig unterschiedliche Dinge. Sie hatten keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen, dass Grau sehen konnte, wohin sie gingen. Sie wanderten schweigend den immer dunkler werdenden Pfad entlang, bis auch der letzte Rest Licht verschwunden war.
    „Ich kann nichts mehr sehen“, dachte Grau leise zu ihnen. „Nicht vor und nicht hinter uns.“ Seine Gedanken hatten keinen warnenden Unterton. Nur die einfache Feststellung, dass sie nun ihrer Umgebung gegenüber vollkommen blind waren. „Ich hoffe nur, dass, wer auch immer noch hier drin ist, ebenfalls nichts sehen kann.“
    „Kannst du den Pfad noch spüren, Grau?“, fragte Joshua.
    „Ich denke schon. Der Boden scheint aber sandiger zu werden. Bald wird es schwierig sein, auf dem Weg zu bleiben.“
    Die Gedanken des Wolfs schweiften ab und ließen sie in einer Leere zurück, die bald darauf mit der Furcht vor dem gefüllt wurde, was vor ihnen lag. Von nun an brachte jeder Schritt die Angst mit sich, dass es ihr letzter sein könnte. Sie wanderten beinahe einen Tag lang und wollten keine Pause einlegen, obwohl sie erschöpft waren, denn jede Minute, die sie tatenlos in der Dunkelheit verbrachten, war eine Minute mehr, die sie vom Licht trennte. Aber irgendwann konnten sie einfach nicht mehr. Sie legten sich nieder und schliefen an Ort und Stelle ein. Als Joshua einige Stunden später die Augen öffnete, wusste er zunächst nicht, wo er war,

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