Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
Metern vernichten. Langsam spürte er seinen Körper, die Kälte in seinen Gliedmaßen, die Bewegung in seinen Schuppen, als Luft in seine Lunge strömte. Er fühlte seinen heißen Atem, der die Luft vor ihm verbrannte. Als er die Augen öffnete, mussten sich seine Pupillen erst an das Licht gewöhnen, die tiefgrüne Iris verengte sich zu schmalen Schlitzen.
Er sah alles auf einmal: Den Lichtstrahl, der die Finsternis von irgendwoher hoch oben in der kristallenen Decke durchdrang; das Gewässer zu seiner Linken, dessen Oberfläche seine Umgebung in schimmerndem Licht reflektierte; den rußgeschwärzten Boden vor ihm. Er sah seine kraftvollen Krallen, die durch Stein schneiden konnten; die in der Lage waren, Säulen aus Granit zu meißeln. Er spürte, wie die Kraft in seine Glieder zurückkehrte, bis in die Spitzen seiner ledrigen Flügel.
Doch irgendetwas stimmte nicht. Er konnte nicht sagen, was es war, bis er es hörte. Zuerst war es nur ein Flüstern, dann zwei, dann fünf, dann ein Dutzend Stimmen, die murmelten und seufzten, einem unaufhörlichen Rhythmus folgend. Das Flüstern verwandelte sich in ein Geräusch, zuerst schwer zu fassen, bis es zu winzigen Füßen auf verkohlter Erde wurde, behaarten Gliedern, die sich aneinander drängten. Das Licht. Das war es. Das Licht fehlte. Es war zu dunkel hier drin. Die Lichtquelle in der kristallenen Decke auf der einen Seite der Höhle war völlig verdeckt. Als er den Blick hob, sah er sie. Und bevor er seinen kraftvollen Beinen befehlen konnte, sich abzustoßen, seinen Körper emporschnellen zu lassen und sie mit seinem feurigen Atem bis zur Unkenntlichkeit zu verbrennen, kamen sie auf ihn herab.
Die Spinnen kamen und indem sie ihr Netz woben und ihn damit bedeckten, übernahmen sie die Kontrolle über seinen sich windenden Körper. Er kämpfte. Er stieß sich mit seinen Hinterbeinen ab und breitete seine Flügel weit aus. Für einen Moment hob er ab. Aus der Ferne war es ein Bild von entsetzlicher Schönheit. Im Halbdunkel der Höhle kämpfte der gewaltige Drache um sein Leben – kämpfte darum, vom Boden abzuheben. Aber es waren zu viele. Je mehr er abschütteln konnte, desto mehr ließen sich von der Decke auf ihn herunterfallen. Schließlich gab er sich geschlagen und wurde rasch in ein Netz eingewickelt, das ihm keine andere Wahl ließ, als zuzusehen, was geschehen würde.
Er sah das elfenbeinfarbene Fell des Pegasus, bevor ihm klar wurde, was es war. Und als es ihm dämmerte, als er sah, wie die Spinnen ihn herbeitrugen, während andere zwischen zwei Säulen ein Netz in der Luft spannen, und als sie den leblosen Körper hochhoben und ihn in dem Netz befestigten, das sich über hundert Meter hinweg erstreckte, und als er diese Schönheit sah, erleuchtet von dem Lichtstrahl, der sanft auf ihr ruhte, entdeckte er die tiefen roten Male, die entzündeten und eiternden Schnitte, die ihren Körper bedeckten.
Als er all das sah, weinte er um ihretwillen. Und wo seine Tränen zu Boden fielen und in die verkohlte Erde eindrangen, begannen kleine Blumen in der unterirdischen Finsternis zu wachsen. Und wenn jemand nur wenige Jahre später die verlassene Höhle aufgesucht hätte, hätte er ein Blütenmeer entdeckt, das den Bau des Drachens und seinen Schlafplatz bedeckte.
Doch jetzt gab es nur den Tod. Der Drache, der seine Träume und die Leben, die er vor seinem tiefen Schlaf geführt hatte, nicht mehr auseinanderhalten konnte, meinte, sich an den Pegasus zu erinnern, an eine Zeit, die bereits tausend Jahre zurücklag und in der sie tief in diesen Berg geflohen waren. Sie waren aus den Minen befreit worden, von einer kleinen Gruppe des Himmelsvolks, die keine andere Wahl hatte, als die Höhlen für immer zu versiegeln. In diesem Moment kannte er Winds Vergangenheit, wie sie ihre Taten für Betrug an ihrer eigenen Art gehalten hatte und sich schließlich entschlossen hatte, versteinert zu sein, bis der Berg sie in sich aufnehmen oder die Elemente sie bis zur Unkenntlichkeit entstellen würden.
Und er sah, wie sie ihre Freiheit zurückgewann, dank der reinen Trauer des Kriegspferdes über ihre Gefangenschaft. Er sah den Hahn und den Wolf und ihre Freundschaft. Und was er vor Ewigkeiten aufgegeben hatte im Tausch für eine Existenz in Einsamkeit, begann sich tief in ihm zu rühren und Gedanken über Freundschaft und die Hoffnung, die sie mit sich brachten, kamen durch den Pegasus in ihm hervor und sie verliehen ihm neuen Mut, obwohl sein Körper an den Stein gefesselt
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