Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
und war sich sicher, blind geworden zu sein.
„Grau?“, dachte er in die Dunkelheit hinein.
„Ich bin hier“, antwortete der Wolf. „Den nächsten Kilometer sind wir sicher.“
„Du bist vorausgegangen?“ Joshua konnte seine Sorge nicht verbergen.
„Ja. Ich habe immer noch meine Nase, weißt du?“
„Und darüber sind wir sehr froh“, fügte Krieg hinzu. „Hast du irgendetwas jenseits des Pfades gefunden?“
„Nein. Er führt in ein offenes Feld aus Sand und Felsen. Ich fürchte, von dort aus werden wir nicht weiterkommen. Kein bisschen weiter.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen.
„Aber einen Vorteil hat die Sache“, fügte Grau dann hinzu.
„Und zwar?“, wollte Joshua wissen.
„Von hier aus kann es nur heller werden.“
Joshua sah den Wolf in Gedanken lächeln. Krieg gab einen Laut von sich, der sehr nach Lachen klang, und Joshua konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln. Und einen Augenblick lang war es hell in ihren Seelen und die Dunkelheit, die sie umgab, schien nicht mehr so undurchdringlich zu sein. Und eine Weile wanderten sie trittsicher und die Angst in ihren Herzen war kleiner geworden. Zweimal liefen sie fast in eine der Säulen hinein. Nur der Wolf, der spüren konnte, was sich vor ihnen befand, bewahrte sie davor. Einmal stellte Grau fest, dass sie an einer Stelle schon einmal vorbeigekommen waren, und ihnen wurde klar, dass sie im Kreis gelaufen waren. Sie sprachen nicht darüber, aber sie wussten, dass sie das nicht sehr viel länger durchhalten würden. In völliger Dunkelheit durch eine möglicherweise gefährliche Landschaft zu wandern, zerrte an ihren Nerven und Joshua konnte die Erschöpfung des Pferdes unter sich spüren. Grau lief immer ein Stück voraus, die Nase am Boden, und versuchte, einen Duft von etwas aufzufangen, das helfen konnte. Aber er würde es ebenfalls nicht mehr lange aushalten.
Als Joshua kurz davor war aufzugeben, hörten sie ein Geräusch. Sie konnten zunächst nicht sagen, woher es kam, und liefen in die falsche Richtung, sodass sie sich davon entfernten. Bald stellten sie fest, dass sie es nicht mehr hören konnten und gingen zurück, bis das Geräusch zurückkam. Nach einer Weile wurde es lauter und sie konnten klarer spüren, woher es kam. Ihre Erleichterung war grenzenlos. Es war Wasser. Ein kleines Rinnsal, wahrscheinlich ein Bach, vielleicht sogar ein Zweig des Flusses, den sie in der Bergarbeiterstadt entdeckt hatten. Als sie es erreicht hatten, ließen sie sich lange Zeit, um ihren Durst zu stillen. Joshua hatte nicht gemerkt, wie durstig er gewesen war, bis er Wasser hatte. Eine Weile taten sie nichts außer zu trinken, das kalte, frische Lebenselixier in sich aufzunehmen.
„Wir könnten dem Wasser folgen“, schlug Grau vor. „Jedenfalls solange es an der Oberfläche fließt.“ Sie stimmten zu und wanderten ungefähr einen halben Tag lang den Bach entlang, bis er auf einmal wieder im Erdboden verschwand. Mit dem Wasser verließ sie auch der Trost, den es ihnen gespendet hatte.
Während der letzten Stunde hatte Joshua Bruchstücke seltsamer Bilder empfangen. Woher sie gekommen waren, wusste er nicht. Sie waren unvollständig und die meisten von ihnen waren unverständlich. Aber dann erschien ein Bild, das so klar und kraftvoll war, dass Grau und Krieg es im gleichen Moment sahen: Ein Lichtstrahl, der aus großer Höhe herabschien, erleuchtete ein riesiges Spinnennetz, das zwischen zwei Säulen aufgespannt war. Winds lebloser Körper war in dem Netz gefesselt. Er war blutüberströmt und von tiefen Schnitten bedeckt. Kriegs erster Impuls war, auf sie zuzulaufen – wo immer sie auch sein mochte – und nur die heftigen Bitten Joshuas und des Wolfs hielten ihn davon ab. Schließlich gab das Pferd nach.
„Wir müssen vorsichtig sein“, erklärte Grau. „Das ist offensichtlich eine Falle, um genau die Reaktion hervorzurufen, die du eben gezeigt hast, Krieg. Wir wissen nicht, woher diese Bilder kommen. Joshua, meinst du, sie stammen von dem Geier?“
„Ich habe keine Ahnung. Das Bild von Wind war nicht das einzige, das ich empfangen habe. Da waren auch noch andere und die waren seltsam und... irgendwie unwirklich. Wie Überreste eines Traums. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, kann ich mir nicht vorstellen, dass das die Träume des Geiers gewesen sind.“
„Warum glaubst du das?“, fragte Krieg.
„Weil sie voller Freude waren“, antwortete Joshua.
„Hast du noch irgendetwas anderes gesehen?“, wollte Grau
Weitere Kostenlose Bücher