Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
wissen.
Joshua überlegte einen Moment. Es dauerte eine Weile, bis er die chaotischen Bilder durchgegangen war, aber ein Bruchteil eines Bildes kam immer wieder zu ihm zurück. Es zeigte ein großes Gewässer, das im Hintergrund des Bildes zu liegen schien, auf dem Wind in dem Spinnennetz zu sehen war. Als er Krieg und Grau davon erzählte, schwiegen beide einen Moment lang.
„Wir müssen unsere Gedanken schützen“, dachte das Pferd. „Wir dürfen nicht mehr daran denken. Es könnte unsere einzige Chance sein, den Geier zu besiegen. Wir müssen ihn irgendwie in das Wasser bekommen.“
„Wenn dort Wasser ist, gibt es noch Hoffnung für Wind. Wenn wir sie hineinbekommen, könnte sie wieder zum Leben erwachen.“ Aus Kriegs Gedanken sprach Hoffnung – eine Hoffnung, die Joshua nicht teilte. Er war sich sicher, dass der Pegasus tot war. Er behielt seine Gedanken darüber so gut er konnte für sich, doch er wusste, dass etwas davon nach außen drang, und Krieg schien das zu spüren.
„Ich weiß, was du denkst, Joshua“, erwiderte er. „Aber ich bin anderer Meinung. Ich muss es sein. Wenn die kleinste Hoffnung besteht, dass sie lebt, kann ich sie nicht für tot erklären. Und ich hoffe, du wirst mir bald zustimmen, denn ich werde sie mit meinen Gedanken nicht zum Tode verurteilen.“
„Es tut mir leid, Krieg. Ich kann nichts dagegen tun. Meine Gedanken lassen mich nicht in Ruhe, so sehr ich auch versuche, sie zurückzuweisen.“
„Mach dir keine Sorgen. Du hast nichts falsch gemacht. Aber schirme deine Gedanken ab und beschütze sie gut, denn andernfalls haben wir keine Chance. Ohne das Wasser haben wir nichts gegen ihn in der Hand.“
„Dann lasst uns jetzt gehen“, fügte Grau hinzu. „Und zwar rasch.“
Die anderen stimmten zu und die nächsten Stunden wanderten sie schweigend und so schnell sie es wagten durch die Finsternis.
* * *
Zuerst dachte Joshua, er höre das Rauschen einer Welle. Dann klang es eher nach Wind, der in den Baumwipfeln raschelte. Was immer es war, es kam mit immenser Geschwindigkeit näher und Joshua konnte spüren, wie sich Graus Fell sträubte. Sie blieben abrupt stehen. Der Wolf stieß ein tiefes Knurren aus.
„Macht euch bereit!“, befahl Grau leise.
Die Welle rollte über sie hinweg und einen Augenblick lang schien das Geräusch von allen Seiten zu kommen. Dann war es still.
„Was war das?“, fragte Krieg.
„Ich wage nicht, es zu denken, aber ich weiß es“, erwiderte der Wolf.
Joshua hörte das tiefe Summen, das Tausende von Füßen auf dem felsigen Boden erzeugten. Die Spinnen hatten sie umzingelt. Joshua spürte ihre toten Augen, die ihn durch die Finsternis anstarrten. Sie hatten ein schmales Stück zwischen ihnen und dem Bereich, wo Joshua und die anderen standen, freigelassen. Einen Moment lang geschah nichts. Die drei Freunde hielten ganz still und verharrten regungslos. Doch plötzlich bewegten sich die Spinnen von links auf sie zu, als folgten sie einem unsichtbaren Kommando. Den Gefährten blieb nichts anderes übrig, als in die andere Richtung zurückzuweichen. Als Krieg und Grau losgingen, bewegten sich die Spinnen ebenfalls. Das Geräusch ihrer Füße erzeugte einen grausigen Hall in der Dunkelheit. Joshua schauderte bei der Vorstellung, dass er in unendlicher Finsternis von unzähligen Spinnenkörpern umringt war.
Während sie gingen, wurde sich Joshua bewusst, dass er erleichtert war. Obwohl er gerade etwas absolut Entsetzliches erlebte, musste er sich wenigstens keine Gedanken mehr darum machen, wohin sie gehen sollten. Die Spinnen führten sie durch die Höhle und korrigierten hier und da ihren Kurs, indem sie sich von einer Seite näherten, bis sie sie in die richtige Richtung gelenkt hatten. Joshua versuchte, ihre Gedanken oder Gefühle zu lesen, aber da war überhaupt nichts. Es war Leere, die sie umgab – Leere in ihren Seelen und Herzen. Es war, als ob ihre Körper einzig und allein vom Befehl des Geiers angetrieben wurden. Die Seelen der Spinnen waren in der Kälte der Zuflucht zurückgeblieben. Sie waren längst heimgegangen zu ihren Vorfahren. Welche Kraft sie nun auch antrieb, kontrollierte nur ihre Hüllen, sonst nichts. In ihnen war keine Boshaftigkeit. Keine Spur davon. Joshua wurde klar, dass die Spinnen dem Geier folgen würden, wenn er unterging. Befreit von seiner Kontrolle würden sie sich auflösen und einfach aufhören zu sein.
„Ich sehe Licht!“ Die Gedanken des Wolfs unterbrachen seine eigenen.
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